Es ist erstaunlich, wie viele Parallelen zwischen dem Wendepunkt des frühen 20. Jahrhunderts, der durch den Ersten Weltkrieg 1914 symbolisiert wird, und dem Wendepunkt des 21. Jahrhunderts, der durch den Maidan in Kiew im Jahr 2014 eingeleitet wurde und tatsächlich zur militärischen Konfrontation zwischen Russland und dem Westen führte, gezogen werden können.
Nach dem Ersten Weltkrieg hat der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Woodrow Wilson, angekündigt, eine neue, von den Kriegen freie Weltordnung aufzubauen. Tatsächlich geschah genau das Gegenteil: Es begannen die Wirren der Zwischenkriegszeit, die zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs geführt hatten. Nach dem Zerfall des sowjetischen Imperiums, einhundert Jahre danach, stehen die USA erneut vor der gleichen Herausforderung: eine neue Welt ohne Konflikte und Kriege zu schaffen. Was sind die Erfolge?
Artikel-Themen: Carl Schmitts Nomos der Erde / Epoche der Euphorie / Das Ende der Euphorie (Das Jus Publicum Europaeum / Das europäische Gleichgewichts-System / Die Auflösung des Jus Publicum Europaeum / Die Epoche der Unordnung seit 1989/90 / Die neue Epoche der Unordnung seit 1989/90 – Die regelbasierte Ordnung) Sinnwandel des Krieges (Eine Personifizierung des Kriegsverbrechens / Blindheit des internationalen Gerichts / Die amerikanische Delegation bei der Genfer Liga) Die Abschaffung des Krieges statt seiner Hegung (Die Hegung des Krieges / Moral und Politik statt Recht und Justiz / Die Emotionalisierung des Krieges) Die Kriminalisierung des Krieges (Die Lehre des gerechten Krieges / Moderne Lehre des gerechten Krieges / Der Sinn der Abschaffung des Krieges / Die Kriminalisierung des Krieges nach dem Zusammenbruch der UdSSR / Vernichtungscharakter des modernen Krieges / Diskriminierung Russlands) Ein hegemoniales Gleichgewicht Amerikas (Die Entwicklung der amerikanischen Hegemonie / Der Beginn des Kalten Krieges / Der Zusammenbruch der Sowjetunion) / Angriff, Angriffskrieg, Angreifer: Was ist damit gemeint? (Der Angriffskrieg auf Amerikanisch / Zwischen Angriffsakt und Angriffskrieg / Unterschied zwischen einer juristischen und moralischen Denkweise) Londoner Statut vom August 1945 / Prinzip der unteilbaren Sicherheit / Das Ende des Vertrauens) Freund-Feind-Schema als das schwerste Erbe der europäischen Zivilisation (Zwei Seiten des absoluten Humanismus / „Westliche Hemisphäre“ als globale Freundschaftslinie / Suche nach Neuem Nomos der Erde / Von Selbstisolation zur Welt-Intervention / Suche nach neuem Feind)
Carl Schmitts Nomos der Erde
„Der Krieg ist der Kern jedes Völkerrechts.“ Unter solcher Prämisse untersucht der renommierte Staatsrechtler und Philosoph Carl Schmitt in „Der Nomos der Erde“ (1950) die Entwicklung des modernen Völkerrechts. Die Zeit von 1870 bis 1890 bezeichnet Schmitt als die letzte Blüte des Jus Publicum Europaeum, also des seit dem 16. Jahrhundert bestehenden eurozentrischen Völkerrechtes, das den europäischen Kontinent vor den vernichtenden Religions- und Bürgerkriegen geschützt hat. Es war die Epoche des großen europäischen Optimismus und des wachsenden Glaubens an die europäische Zivilisation, den Fortschritt und den freien Handel, die jedoch bald einer Epoche der Auflösung des Jus Publicum Europaeum, des Sinnwandels des Krieges und der Zerstörung der bisherigen globalen Ordnung der Erde wich. Dies war ein globaler Wendepunkt, der bis heute nachwirkt.
Schmitt beendet seine Untersuchung des modernen Völkerrechts und der Weltentwicklung gleich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, also ohne Verbindung mit dann begonnenem Kaltem Krieg. Auch den Zerfall der Sowjetunion hat er nicht erlebt: Er ist im Jahr 1985 gestorben. Aber seine Teilung der Entwicklung des modernen Völkerrechts nach bestimmten Zeitabschnitten, die er mit der Frage nach dem Neuen Nomos Erde verknüpft, erlaubt es uns jedoch, diese beiden Wendepunkte – der Erste Krieg und der Ukraine-Konflikt – in einen engen Zusammenhang zu stellen.
Epoche der Euphorie
Als Ausgangspunkt für einen Vergleich könnte die Zeit von 1870 bis 1890 genommen werden, die Schmitt als die Epoche des größten europäischen Optimismus und wachsenden Glaubens an europäische Zivilisation, Fortschritt und Freihandel bezeichnet. Es herrschte in Europa ein liberaler Konstitutionalismus, der als identisch mit Verfassung und Zivilisation im europäischen Sinne galt. Es war auch die Zeit, wenn die letzte gemeinsame Landnahme nicht-europäischen Bodens durch europäische Mächte gefallen ist, und zwar durch eine große internationale Kongo-Konferenz in Berlin 1884–1885. Um zivilisatorischen Geist dieser Epoche auszudrucken, zieht Schmitt zum Wort den belgischen König Leopold, der damals wörtlich sagte: „Der Zivilisation den einzigen Teil der Erdkugel öffnen, in den sie noch nicht gedrungen ist, die Finsternis durchstoßen, die ganze Bevölkerungen umhüllt, das ist, ich wage es zu sagen, ein Kreuzzug, der dieses Jahrhunderts des Fortschritts würdig ist.“ (1)
Der Optimismus war so groß, dass in Europa bis um 1890 die Auffassung herrschte, dass das spezifische europäische Völkerrecht ein allgemeines, universales Völkerrecht ist. Die universalistischen Denkgewohnheiten, bemerkt Schmitt, waren damals sehr stark, und das Gesamtbild der Welt war zunächst durchaus eurozentristisch, „denn unter der Menschheit verstand man zuerst die europäische Menschheit, Zivilisation bedeutete selbstverständlich nur europäische Zivilisation, und Fortschritt war die gradlinige Entwicklung zu dieser Zivilisation“. In einem Glauben an Siege und Triumphe ihres Völkerrechts zu befangen, öffnete die europäische Familie ihr Haus auch für andere, nicht europäische Staaten und Nationen. So erscheinen in den achtziger und neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts in der europäischen Völkerrechtsgemeinschaft viele amerikanische und asiatische Staaten, unter anderem die Vereinigten Staaten von Amerika, die Türkei und Japan. (2)
Einhundert Jahre später, in der Zeit von 1970 bis 1990, herrschte im Westen auch ein großer Optimismus, der sich auf wachsendem Glauben an seine Überlegenheit gegenüber der Sowjetunion beruhte. Gorbatschow-Perestroika 1985, die einen Übergang von Konfrontation zum Weltfrieden nach der Idee der Konvergenztheorie beanspruchte, hat den westlichen Optimismus nur verstärkt. Perestroika versprach auch die Eingliederung eines großen, von dem Freihandel noch abgegrenzten sowjetischen Imperiums im westlichen Wirtschaftsraum. Unter der zivilisierten Menschheit verstand man die westliche Gemeinschaft, und die west-liberale Demokratie bedeutete die beste Regierungsform. Amerikanischer Politikwissenschaftler Francis Fukuyama krönte diesen westlichen Optimismus durch seine These über das Ende der Geschichte (1989). Im Glauben an Siege des Westens zu befangen, öffnete die westliche Familie ihr Haus für andere, nicht-demokratische Staaten und Nationen, darunter für die ehemaligen Sowjetrepubliken.
Gabriele Krone-Schmalz schreibt in ihrem Buch „Eiszeit“. „Wie Russland dämonisiert wird und warum das so gefährlich ist“ (2017): „Als 1989 die Weltordnung des Kalten Krieges zusammenbrach, fühlte sich der Westen als Sieger und sah seine Werte, Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Kapitalismus, durch die Geschichte glänzend bestätigt. In Zukunft, so meinte man, gehe es nur noch um globale Durchsetzung des westlichen Systems. Historische Alternativen würden nicht mehr entstehen. „Wenn alle Staaten demokratisch geworden seien, so der Glaube, würde es keine Kriege mehr geben und die Welt wäre ein besserer Ort.“ (3)
Aber der Triumph, der sich in dem Wort „Perestroika“ symbolisierte (ähnlich wie beim Wort „Kongo“), war nur ein kurzes Fest: Es erwies sich als schwierig, den Mantel der west-liberale Demokratie über andere Länder, einschließlich Russland, zu ziehen. Der Westen steht vor derselben Herausforderung wie Europa vor einem Jahrhundert, als eine relativ kleine und kulturell einheitliche europäische Gemeinschaft den Anspruch erhob, den eigenen Lebensstandard auf die ganze Welt auszudehnen.
Das Ende der Euphorie
Wie es schon erwähnt wurde, öffnete zum Ende des 19. Jahrhunderts die europäische Familie, besessen von Optimismus, ihr Haus für andere, nicht europäische Länder und Nationen. Das war aber, nach Schmitt, in Wirklichkeit keine bloß quantitative Ausdehnung und Erweiterung, sondern ein Übergang zu einer neuen, nicht mehr eurozentrischen Weltordnung.
Das Jus Publicum Europaeum
Das Jus Publicum Europaeum war für Schmitt ein einzigartiges Beispiel des Völkerrechtes, dem gelingt, die vernichtenden Religions- und Bürgerkriege des Mittelalters zu beenden und die effektiven rechtlichen Instrumente für die Einhegung der Kriege in Europa zu schaffen. Seine tragende Größe war ein souveräner Staat. Die Kriegsgegner, also die souveränen Staaten, wurden von der europäischen Gemeinschaft als justus hostis, also als gerechte Feinde, anerkannt und vom Rebellen, Verbrecher und Piraten unterschieden. Der Krieg verwandelte sich in eine Beziehung zwischen beiderseitig gleichberechtigten souveränen Staaten: Die Gegner, auf beiden Seiten in gleicher Weise als justus hostis anerkannt, standen einander auf gleicher Ebene gegenüber. (4)
Das Prinzip der rechtlichen Gleichheit von souveränen Staaten, das eine Diskriminierung des Gegners ausschloss, war aber nicht das einzige Verdienst des europäischen Völkerrechtes bei der Hegung des Krieges. Nicht weniger wichtig war auch die Nicht-Kriminalisierung des Krieges als solche. Schmitt erklärt: „Der Krieg zwischen souveränen, gegenseitig sich anerkannten Staaten kann kein Verbrechen, am wenigsten ein Verbrecher im kriminellen Sinne des Wortes sein. Solange der Begriff des justus hostis nachwirkt, gibt es keine Kriminalisierung des zwischenstaatlichen Krieges. In diesem Stadium kann das Wort ‚Kriegsverbrechen‘ nicht den Sinn haben, den Krieg selbst als Verbrechen zu kennzeichnen.“ Unter Kriegsverbrechen wurden nur bestimmte, „während des Krieges begangene Handlungen“, also Verstöße gegen das sogenannte Recht im Kriege gemeint, etwa Verletzungen der Haager Landkriegsordnung, den Normen des Seekriegsrechts oder des Kriegsgefangenenrechts. „Für einen Juristen der kontinental-europäischen Denkweise, so Schmitt, war es selbstverständlich, dass die bloße Verwendung des Wortes Verbrechen für das Völkerrecht noch keine Kriminalisierung bedeutete, solange Tatbestand, Täter, Strafe und Gericht nicht mit deutlichen Worten bestimmt und umschrieben waren.“ (5)
Das europäische Gleichgewichts-System
Die Kriege waren also nicht illegal und so lange gerecht, bis sie die gesamte Ordnung und das Gleichgewicht in Europa nicht störten, wie es zum Beispiel bei Napoleonskriegen war. Schmitt spricht um Gleichgewichts-System, das im Grunde der eurozentristischen Raumordnung und der Hegung des Krieges lag. Dabei handelt es sich nicht um eine politisch-propagandistische Gleichgewichtspolitik, sondern um eine große praktische Überlegenheit der Gleichgewichtsvorstellung, in derer die Fähigkeit lag, eine Hegung des Krieges zu bewirken. Solches als gemeinsam empfundenes Gleichgewichts-System war für Schmitt sogar wichtiger als die Souveränität und Nichtintervention. Die europäischen Großmächte spielten in diesem Prozess eine führende Rolle, da sie in erster Linie daran interessiert waren, das Gleichgewicht zu bewahren und zu erhalten, um die Zerstörung der bestehenden Weltordnung zu verhindern.
In der Epoche des Jus Publicum Europaeum entstand auch ein planetarisches Gleichgewicht, das vom britischen Empire bewacht und bewahrt wurde. Nach Schmitt wird zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit der Gegensatz von Land und Meer die weltumfassende Grundlage eines globalen Völkerrechts. England wurde dadurch zum Träger des universalen, maritimen Bereichs einer eurozentrischen, globalen Ordnung, zum Hüter jener andern Seite des Jus Publicum Europaeum, zum Herrn des Gleichgewichts von Land und Meer. Dieses Gleichgewicht sicherte die Stabilität und die Hegung des Krieges in Europa, also war zur tragenden Säule des Weltfriedens geworden.
Die Auflösung des Jus Publicum Europaeum
Doch im Laufe des Ersten Weltkrieges löst sich das Jus Publicum Europaeum und mit ihm auch das Gleichgewicht-System. Der Erste Weltkrieg hat als ein europäischer „Staatenkrieg alten Stils“ begonnen, zeigte sich aber bald die Ansätze zu einem neuen, vom bisherigen europäischen Völkerrecht abweichenden Kriegsbegriff. In dieser Zeit ging zum Ende der alte, seit dem 16. Jahrhundert herrschende Nomos der Erde und begann die Suche nach neuen Nomos der Erde. Zwar hatte England den Anspruch angemeldet, „die Mitte der Welt zu sein und aus dem Handhaber des bisherigen europäischen Gleichgewichts der Träger eines neuen, die Großräume balancierenden globalen Welt-Gleichgewichts zu werden“, aber es war zu schwach, um dieses Gleichgewicht zu sichern. Das System des europäischen Gleichgewichts ließ sich also nicht einfach auf ein Welt-Gleichgewicht des Erdballs übertragen. Auf die politische Welttribüne treten nun die anderen, nicht-europäischen Großmächte. Gemeint sind zuerst die Vereinigten Staaten von Amerika, die sich damit das große Problem einer neuen Raumordnung der Erde vom Westen angekündigt hatten.
Was jetzt als Völkerrecht, genauer als internationales Recht oder International Law rechtswissenschaftlich behandelt wurde, war, nach Schmitts Bemerkung, keine konkrete Raumordnung mehr. „Zunächst freilich war es ein Absturz in das Nichts einer raum- und bodenlosen Allgemeinheit. An die Stelle der überaus konkreten Ordnung des bisherigen Jus Publicum Europaeum trat auch nicht der Schatten einer neuen, konkreten völkerrechtlichen Raumordnung.“ Nach Schmitt war die Folge, dass das große Problem einer Raumordnung der Erde ganz aus dem Bewusstsein verschwand. „Der Kern des neuen Problems lag darin, dass mehrere, nach Großräumen verschiedene Völkerrechte auftauchen, statt eines raumlos-allgemeinen Völkerrechts.“ Doch, bemerkt Schmitt, schien das bei Beginn dieses Entwicklungsabschnittes kein schwieriges Problem zu sein. „Man hatte, wie gesagt, immer nur eine unproblematisch gemeinsame europäische Zivilisation im Auge.“ (6)
Die Epoche der Unordnung 1919–1939
Die Zwischenkriegszeit von 1919 bis 1939 bezeichnet Schmitt als Epoche der Unordnung und konzentriert sich auf die Untersuchung des Überganges des nicht-diskriminierten zwischen-staatlichen Krieges des Jus Publicum Europaeum in einen neuen – diskriminierten – Typus des Krieges, der die wichtigsten Grundsätze des europäischen Friedens zerstörte und bis heute zur größten Hürde auf dem Weg zum Weltfrieden geworden ist.
Einhundert Jahre danach, seit dem Zerfall der Sowjetunion, die Geschichte hat sich wiederholt: Es begann wiederum die Zerstörung des schon etablierten internationalen Rechts, in diesem Fall auf der Basis der Jalta-Konferenz 1945 aufgebauter Weltordnung. Die neue Ordnung muss nun dem neuen Status quo des Westens als Sieger im Kalten Krieg entsprechen. Zwar hatte Amerika den Anspruch angemeldet, die Mitte der Welt zu sein und zum Träger eines neuen, die Großräume balancierenden globalen Weltgleichgewichts zu werden, erwies sich aber nicht genug stark zu werden, um ein gut funktionierendes Gleichgewicht zu sichern. Auf die politische Welttribüne traten die anderen, nichtwestlichen Großmächte, zuerst Russland und China, die vom Osten eine neue Raumordnung der Erde, ja ein neuer Nomos der Erde angekündigt haben, den die Vereinigten Staaten von Amerika als Nachfolger des britischen Empire seit Anfang des 20. Jahrhunderts vergeblich zu etablieren versuchen.
Aber es scheint, dass dieses Raumproblem für westliche Großmächte immer noch so unproblematisch ist, wie es für die europäischen Großmächte vor hundert Jahren war, denn in ihren Augen gibt es nur eine einzige unproblematische gemeinsame westliche Zivilisation. Die Folgen sind verblüffend ähnlich, wenn man an die Zeit vor einem Jahrhundert zurückdenkt: eine Zunahme von Konflikten, die wachsende Unordnung und die Entstehung von einem neuen – diskriminierten – Typus des Krieges, der zur größten Hürde auf dem Weg zum Weltfrieden geworden ist.
Die neue Epoche der Unordnung seit 1989/90
Die ersten Anzeichen dieser Veränderungen waren bereits während des Jugoslawienkriegs 1999 zu beobachten. Erstens, die Bombardierung Jugoslawien wurde ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates erfolgt, was beim Akzeptieren Russlands als ein gerechter geopolitischer Gegner, wie es noch im Kalten Krieg war, unmöglich wäre. Zweitens wurde der NATO-Einsatz aus den humanitären Gründen rechtfertigt, nach dem bestrittenen Massaker von Račak, mit dem Argument, serbischen Genozid auf dem Kosovo zu verhindern. Nicht die UNO als internationale Schiedsrichter, sondern die Siegermächte im Kalten Krieg erlaubten sich zu entscheiden, wer in einem Bürgerkrieg gerechter oder ungerechter Kriegsgegner ist. Drittens waren die Ziele der Luftangriffe nicht nur militärische Objekte, sondern auch Fernsehsender, Strom- und Wasserversorgung, Brücken und Straßen, bis zur serbischen Ölraffinerie und Chemieindustrie. Besonders zynisch war die Einsetzung von Clusterbomben und uranangereicherter Munition. Bei der flächendeckenden Bombardierung im Irak-Krieg 2003 verlor der Unterschied zwischen militärischen und zivilen Objekten überhaupt jede Bedeutung. Dies stand im Widerspruch zu dem, was Europa vor dem Ersten Weltkrieg ausmachte und was die Weltgemeinschaft während des Kalten Krieges anstrebte.
Viertens, die rechtliche Folge des Krieges war die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo 2008, die zum einen schwer gelösten Dilemma im Völkerrecht geführt hatte. Man spricht sogar um Büchse der Pandora, die als Präzedenzfall das geltende Rechtsinstitut der Anerkennung einer fremden Regierung zu sprengen bedroht. Einige Staaten, vorwiegend westliche, haben die Unabhängigkeit der Kosovo-Republik anerkannt; andere Staaten, darunter die Ukraine, betrachten dieses als die Verletzung serbischer Souveränität und territorialer Integrität. Nach der Anerkennung der Unabhängigkeit Abchasiens und Südossetiens 2008 seitens Russlands und einigen anderen Staaten und insbesondere nach der Aufnahme der Republik Krim in Russland 2014 hat sich dieses Dilemma nur verschärft.
Der amerikanische Drohnenkrieg gegen islamischen Terrorismus seit 11. September 2001 bezeichnet der weiteren Abkehr von bisherigen Kriegsmethoden: Er wurde außerhalb der nationalen Grenzen, der nationalen Verfassungen, des nationalen Strafrechts und außerhalb der in der UN-Charta und vielen internationalen Friedensverträgen verankerten Kriegsregeln durchgeführt.
Der Irak-Krieg 2003 liefert einen besonderen Präzedenzfall, wenn die USA, ohne Rücksicht auf einen deutlichen Widerstand von vielen Ländern, einschließlich von Russland, Frankreich und Deutschland, mit dem fehlenden UN-Mandat und mit dem verfälschten Beleg ihre militärische Spezialoperation begonnen haben. Die UNO zeigte damals seine volle Machtlosigkeit gegenüber der Autorität der Siegermacht Amerikas, bestätigte aber, unter anderem durch die Aussage von Uno-Generalsekretär Kofi Annan, dass der amerikanische Einmarsch in den Irak doch illegal war und gegen die Uno-Charta verstoßen habe.
Die regelbasierte Ordnung
All dies führt zur Zerstörung des seit dem Zweiten Weltkrieg bewährten Völkerrechts zugunsten einer neuen Weltordnung, die heute gemeinhin als regelbasierte Ordnung bezeichnet wird. Dies zeigt sich besonders deutlich beim Präzedenzfall „Kosovo“. Nach diesem Fallrecht wäre es unrecht, den Anschluss Krim zur Russischen Föderation als völkerrechtswidrige Annexion zu bezeichnen. Wenn Kosovo doch eine völkerrechtswidrige Ausnahme ist, die nie wiederholen sein sollte, dann braucht man eine klare Bestätigung dieses Kosovo-Falls als Verbrechen des Völkerrechts, das heißt, eine klare Absage, unter anderem von den USA, Deutschland und anderen Ländern, Kosovo als unabhängiger Staat anzuerkennen.
Das steht aber nicht in den Plänen des Siegers im Kalten Krieg. Der Kosovo-Fall sollte eigentlich zum Zweck dienen, ein Referendum oder parlamentarische Entscheidung als demokratisch legitimes Instrument beim Regime-Change zu benutzen, also die westliche Demokratieförderung rechtlich zu bekräftigen. Die anerkannten Regierungen sollten dann in die Einflusszone des Westens geraten, wie es genau mit Kosovo passierte. Eine allgemeine Benutzung dieses Präzedenzfalls ist dabei nicht vorgesehen. Dies schafft eine Doppelmoral, wenn das, was für die Einigen erlaubt ist, von den Anderen nicht verwendet sein müsste. Das ist aber kein Dilemma des Völkerrechts, sondern die Frage des Rechtes der Siegermacht, allein zu entscheiden, was richtig oder völkerrechtswidrig ist.
Das Gespenst eines neuen Weltkriegs geht wieder um in Europa, als Reaktion auf den Anspruch der Sieger des Kalten Krieges, auf den Ruinen des kommunistischen Imperiums eine neue friedliche Ordnung auf der Grundlage der Werte der westlichen liberalen Demokratie aufzubauen. In diesem Zusammenhang klingt eine Bemerkung, die Gabriele Krone-Schmalz im Buch „Eiszeit“ macht, besonders treffend: „Doch die Vision der neuen liberalen Weltordnung, wie sie etwa der amerikanische Präsident George Bush Anfang der 1990er Jahre entwarf, hatte zwei zentrale Schwächen. Erstens konnte der Westen, insbesondere USA, dem Versuch nicht widerstehen, den eigenen Werten zuwiderzuhandeln, wenn sie geostrategischen Interessen im Wege standen. Und zweitens gewann eine Richtung an Gewicht, die dem Rad der Geschichte in die Speichen greifen und die Ausbreitung der Demokratie aktiv befördern wollte, wenn nötig, mit Hilfe militärischer Gewalt, zumindest aber durch die Unterstützung von prowestlichen Gruppen innerhalb der Länder, die nicht oder nur halb demokratisch strukturiert waren. Der Gedanke dahinter war derselbe: aktive Beschleunigung, auch durch Regime Change, statt evolutionärer Entwicklung zur Demokratie. Die „westliche Wertegemeinschaft“ schickte sich an, die Welt zu retten, notfalls auch mit Gewalt und gegen den Willen derjenigen, die gerettet werden sollten. (7)
Sinnwandel des Krieges
Der Übergang des nicht-diskriminierten zwischen-staatlichen Krieges des Jus Publicum Europaeum in einen neuen diskriminierten Typus des Krieges beschreibt Schmitt als Sinnwandel des Krieges. Die Ansätze dieses Wandels findet Schmitt schon im Versailler Friedensvertrag 1919. Dadurch versuchten die Siegermächte Frankreich und England, das besiegte Deutschen Reich allein für Krieg schuldig zu machen. Die Kollektivschuld, die im Jus Publicum Europaeum sicherlich alle Kriegsbeteiligten tragen müssten, wurde durch Identifizierung eines bestimmten Kriegsverbrechens ersetzt, unbeachtet von Kriegsschuldfrage, von Protesten Deutschlands und von verbreiteter Meinung, unter anderem von amerikanischem Präsident W. Wilson, dass die Schuld am Ersten Weltkriege das ganze Europa tragen muss.
Eine Personifizierung des Kriegsverbrechens
Deutscher Kaiser Wilhelm II. wurde als einzige Angeklagte des Kriegsverbrechens genannt. Es handelte sich um eine Personifizierung des Kriegsverbrechens, die das europäische Völkerrecht bisher nicht kannte. Solche Ersetzung der Kollektivschuld durch die Identifizierung eines bestimmten Kriegsverbrechers schildert der Kriegsschuldartikel 231 des Versailler Vertrags, der, nach Schmitt, die Frage betrifft, ob die Mittelmächte „einen ungerechten Angriffskrieg geführt haben und deshalb ohne Einschränkung für allen Schaden haften“, oder doch Deutschland allein die Verantwortung für den Krieg tragen bzw. die Reparationen bezahlen muss. Die Siegermächte Frankreich und England versuchten freilich, Deutschen allein für Krieg schuldig zu machen, unter dem Gedanken, „dass der Krieg Deutschlands ein ungerechter Krieg und ein Angriffskrieg war“. (8)
Mit der Personifizierung des Kriegsverbrechens haben also die Siegermächte versucht, das wichtigste Grundprinzip des Jus Publicum Europaeum zu kippen, und zwar, dass nur der Staat, nicht aber Menschen zum Feinde genannt bzw. bestraft werden kann. Doch alle Versuche, ein Staatshaupt zu bestrafen, blieben zuerst erfolglos. Schmitt bemerkt: „Es war damals, 1919, keine schwierige Aufgabe, diesen Art. 227 sowohl nach bisherigem europäischem Völkerrecht wie auch in strafrechtlicher Hinsicht zu kritisieren und zu widerlegen. Eine internationale Gerichtsbarkeit eines Staates über einen anderen anerkannten Staat oder über das anerkannte Staatshaupt eines anderen souveränen Staates kannte das europäische Völkerrecht nicht. … Der Krieg wurde in aller Schärfe als eine Beziehung von Staat zu Staat, nicht von Individuen oder Gruppen aufgefasst. Er wurde völkerrechtlich nicht von einzelnen Menschen, nicht von dem Staatshaupt persönlich, sondern vom Staat als solchem geführt. Der Feind war justus hostis, d. h. er wurde vom Verbrecher unterschieden. Was den Tatbestand des neuen Verbrechens angeht, so war er in Art. 227 sehr unbestimmt angegeben.“ Im Ergebnis war die Strafaktion gegen Wilhelm II. „unbestimmt und ganz in das Ermessen des Richters gestellt“. Die Folge solcher Unbestimmbarkeit war die Tatsache, dass deutscher Kanzler nie „als internationaler Verbrecher vor ein internationales Gericht“ gezogen wurde. (9)
Es war ein Präzedenzfall, wenn die Gleichberechtigung der souveränen Staaten als der formale Anhaltspunkt des Jus Publicum Europaeum für die Bestimmung des gerechten Krieges durch Autorität der Siegermächte ersetzt wurde. Es war ein neuer Trend in den Kriegsfragen: Nicht mehr das „Recht im Krieg“, das bis 1914 keine Diskriminierung des Kriegsgegners kannte, sondern die Siegermächte, gemäß ihrem neuen Status quo und ihren politisch-moralischen Vorstellungen, entscheiden müssen, wer ein Kriegsverbrecher ist.
Natürlich kann man darüber streiten, ob nicht nur Hitler als Staatsoberhaupt, sondern auch die Führungsspitze des NS-Regimes bei den Nürnberger Prozessen 1945–1946 zu Recht oder zu Unrecht bestraft wurde und ob das gesamte deutsche Volk für die Kriegsverbrechen der Neonazis verantwortlich gemacht werden sollte. Aber grundsätzlich lässt die Personifizierung von Kriegsverbrechen wichtige Fragen des Krieges außer Acht, wie z. B. die Kriegsursache und die Mitschuld am Krieg. So wurden beispielsweise in Nürnberg die aktive Beteiligung amerikanischer Unternehmen am Wiederaufbau der deutschen Kriegsmaschinerie und die Rolle des Münchener Abkommens von 1938 ausgeklammert. Faschismus wurde beurteilt, aber ohne Bemühungen, mindestens seine Wurzeln klar zu definieren.
Nach der Ukraine-Krise 2014 ist solcher Trend mehr als offensichtlich. Die Supermacht Amerika zusammen mit den Verbündeten zeigt keine Bereitschaft, die Mitverantwortung für die katastrophale Veränderung in der Welt zu tragen: In allen Problemen, Konflikten und sogar Katastrophen sollte man die Schuld in Putins Russland und persönlich in russischen Präsident Putin gesucht werden. Das Bewusstsein der kollektiven politischen Verantwortung ist wieder zum Defizit geworden. Es ist wieder die Sache der Siegermächte, zu entscheiden, wer einer Kriegsverursacher ist.
Blindheit des internationalen Gerichts
Schon damals bezweifelte Schmitt, dass ein internationales Gericht unter der Schirmherrschaft der Siegermächte unabhängig, zuverlässig und unparteiisch sein könnte. Die Blindheit des Internationalen Strafgerichtshofs, der 2002, kurz nach dem Ende des Jugoslawien-Krieges, eingerichtet wurde, ist der Beweis dafür. Unter anderem verurteilte er den jugoslawischen Präsidenten Milosevic als Verbrecher gegen die Menschlichkeit im Jugoslawienkrieg, obwohl es bis heute keine Beweise dafür gibt, dass Jugoslawien die systematische Vertreibung der Kosovo-Albaner aus dem Kosovo, den sogenannten „Hufeisenplan“, geplant hat, der faktisch zur Rechtfertigung für die militärische Intervention der NATO im Kosovo-Konflikt wurde.
Die amerikanische Delegation bei der Genfer Liga
Schmitt beschreibt die Ursprünge des Sinnwandels des Krieges. Nach ihm waren gerade amerikanische Delegierte im Völkerbund, die eine Bestrafung des deutschen Staatsoberhauptes forderten, und zwar als moralischen Verbrecher gegen die Menschlichkeit. Um den Sinn solches Wandels des Krieges zu zeigen, zitiert Schmitt „eine typisch amerikanische Auffassung“, die sich aus einem Entwurf im Rahmen der Vorbereitung des Versailler Vertrages ergibt und „den Krieg vom August 1914 als ungerechten Krieg und Angriffskrieg bezeichnet“. Diese Erklärung spricht über einen Krieg, „der durch seine Ausdehnung, seine unnötige Vernichtung menschlichen Lebens und Eigentums, seine unerbittlichen Grausamkeiten und seine unerträglichen Leiden alle Kriege der modernen Zeiten übertrifft“. Die Urheber solches schändlichen Krieges, so ist der Kernpunkt der Erklärung, „sollten nicht in die Geschichte eingehen, ohne gebrandmarkt zu werden.“ Das heißt, sie sollten „vor die Schranken der öffentlichen Weltmeinung zitiert werden, um das Urteil zu erleiden, das die Menschheit gegen die Urheber des größten gegen die Welt begangenen Verbrechens ausspricht.“ (10)
Die Abschaffung des Krieges statt seiner Hegung
Den größten Beitrag zum Sinnwandel des Krieges, nach Schmitt, haben die Vereinigten Staaten geleistet, mit dem Versuch, den Krieg als solchen abzuschaffen, rein in der amerikanischen Tradition outlawry of war, die alle Kriege als solche ächtet und verurteilt, und den amerikanischen Kontinent, im Gegensatz zu einem von den Kriegen zerrütteten Europa, zum Ideal der Freiheit und des Friedens erhebt. Die Abschaffung des Krieges, die ursprünglich als Ideal der Freiheit und des Friedens auf dem amerikanischen Kontinent entstanden hat, sollte nun die im Jus Publicum Europaeum gut funktionierte Methode der Kriegsverhütung, also die Hegung des Krieges, ersetzen. Mit einer Reihe von Doktrinen und insbesondere mit dem Briand-Kellogg-Pakt 1928 wurde outlawry of war zum Mittel der nationalen Politik Amerikas gemacht und auf den ganzen Planeten ausgedehnt. Nicht die Hegung, sondern die Abschaffung des Krieges als Rechtsinstitut sollte nun zur neuen völkerrechtlichen Konstruktion des Weltfriedens geworden werden, die nach dem Ersten Weltkrieg von amerikanischen Delegationen in der Genfer Liga aktiv gefördert wurde.
Doch der Genfer Liga ist nicht gelungen, das eigene Kriegsverhütungs-System aufzubauen und den Zweiten vernichtenden Weltkrieg zu stoppen. Angesichts des Scheiterns des Völkerbundes konzentriert sich Schmitt auf die völkerrechtliche Bedeutung der chaotischen Übergangszeit von 1919 bis 1939. Er stellt die Frage, „ob die Versuche einer Abschaffung und outlawry des Krieges, die in dieser Zeit fallen, bereits den Sinn des Krieges wandeln und den Krieg des zwischenstaatlichen europäischen Völkerrechts durch die Aktion gegen einen kriminellen Verbrecher ersetzen“, und zeigt gleich die Schwierigkeiten, auf die sich die Genfer Liga mit dem Ideal der Abschaffung des Krieges gestoßen hat. (11)
Die Hegung des Krieges
Schmitt hat vielmals darauf hingewiesen, „dass nicht die Abschaffung, sondern die Einschränkung und Hegung des Krieges, d. h. die Vermeidung des Vernichtungskrieges, der Sinn allen Völkerrechts war“. Die Hegung des Krieges bedeutet für ihn keine Beseitigung des Krieges als solcher, sondern Vermeidung seiner grausamsten Form, eines Vernichtungskriegs, wie es zum Beispiel in der Epoche der Religions- und Bürgerkriege in den 16. und 17. Jahrhunderten war. Ein moderner Vernichtungskrieg wäre in seiner Interpretation ein Krieg, wo alle Vernichtungsmittel erlaubt sind, z. B. die flächendeckende Bombardierung aus der Luft. (12)
Das Wesen der zwischenstaatlichen Kriege, die in Europa erfolgreich gehegt wurden, war für Schmitt „ein geordnetes, in einem gehegten Raum vor Zeugen sich abspielendes Messen der Kräfte“. Er schreibt: „Die Beseitigung oder Vermeidung des Vernichtungskrieges ist nur dadurch möglich, dass eine Form für das Messen der Kräfte gefunden wird. Dieses wiederum ist nur dadurch möglich, dass der Gegner als Feind auf gleicher Ebene, als justus hostis anerkannt wird. Damit ist die Grundlage einer Hegung gegeben.“ Deshalb waren für ihn die europäischen Kriege das Gegenteil von Unordnung: „Ihn ihnen liegt die höchste Form der Ordnung, deren menschliche Kraft fähig ist. Sie sind der einzige Schutz gegen den Zirkel sich steigender Repressalien, d. h. vor den nihilistischen Hass- und Racheaktionen, deren sinnlosen Ziel in der gegenseitigen Vernichtung liegt.“ (13)
Der Krieg selbst ist für Schmitt keine Ursache der Anarchie. Er schreibt: „Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, von der Anarchie des Mittelalters zu sprechen, weil im Mittelalter Fehde und Widerstandsrecht als Einrichtungen und Methoden der Behauptung und Verteidigung des Rechtes anerkannt waren. Aus anderen Gründen ist es ebenso unrichtig, die völkerrechtliche Ordnung des zwischenstaatlichen Völkerrechts, vom 17. bis zum 20. Jahrhundert als Anarchie zu bezeichnen, weil sie Kriege zuließ.“ (14)
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, in Genf, „war zwar viel von Ächtung und Abschaffung des Krieges, niemals aber von einer raumhaften Hegung des Krieges die Rede.“ Das war noch ein Zeichen des Sinnwandels des Krieges: Die Hegung des Krieges des zwischenstaatlichen Völkerrechts sollte durch Abschaffung des Krieges ersetzt werden. Einmal, vor dem Zweiten Weltkrieg, haben die Menschen in Europa schon erlebt, was das bedeutet, und zwar, dass das Verbot des Krieges als solcher und die Erklärung des Krieges zum Verbrechen noch nicht zur Beseitigung des Krieges führt. Um der Abschaffung des Krieges als das Kriegsverhütungs-System ein endgültiges Urteil zu machen, weist Schmitt auf zwei Wahrheiten hin: „Erste, das Völkerrecht die Aufgabe hat, den Vernichtungskrieg zu verhindern, also den Krieg, soweit er unvermeidlich ist, zu umgehen, und zweitens, dass eine Abschaffung des Krieges ohne echte Hegung nur neue, wahrscheinlich schlimmere Arten des Krieges, Rückfälle in den Bürgerkrieg und andere Arten des Vernichtungskrieges zur Folge hat.“ Schmitt hatte keinen Zweifel daran, dass „eine Einhegung, nicht die Abschaffung des Krieges war bisher der eigentliche Erfolg des Rechtes, war bisher die einzige Leistung des Völkerrechtes.“ (15)
Moral und Politik statt Recht und Justiz
Im Grunde des Scheiterns der Genfer Liga mit ihrem Ideal der Abschaffung des Krieges lag nach Schmitt „das Dilemma zwischen einer juristisch-formalen Behandlung des Kriegsverbotes und einer politisch-moralisch-sachlichen Lösung der großen Probleme der Kriegsursachen, wie Aufrüstung und Sicherheit“. Es handelt sich um die Übertragung der großen Kriegsprobleme aus der Kompetenz der Justiz im Bereich der Politik und Moral. Nach Schmitt war es damals für jeden europäischen Staatsmann und jeden europäischen Staatsbürger selbstverständlich, dass die Frage der Abschaffung des Krieges in der Sache eine Frage der Abrüstung und Sicherheit ist. Das sind aber mehr politische und moralische als juristische Fragen. Das bedeutet, dass das große Problem des Krieges nicht nur Juristen, „sondern auch die öffentliche Meinung breiter Kreise und großer Massen“ beschäftigt, die aber die juristischen Kriegsbegriffe „als einen künstlichen Formalismus oder sogar als eine sophistische Ablenkung von der eigentlichen großen Aufgaben“ empfinden. Dadurch bleiben sachliches Recht oder Unrecht und die Schuld am Kriege außer Betracht. (16)
Die Kriegsfragen werden dadurch aus dem Bereich der Justiz im Bereich der Bildung der öffentlichen Meinung verlagert, wo die Medien eine besondere Rolle spielen. Für die Siegermächte ist diese Rolle von Massenmedien besonders wichtig: Sie soll ihre Autorität in den Kriegsfragen bestätigen und legitimieren. Was eine Verbindung von Politik, Moral und öffentlicher Meinung bedeuten könnte, zeigt Schmitt auf dem Beispiel des deutschen Kaisers Wilhelm II., dem im Jahr 1920, nach der Umfrage einer amerikanischen Wochenschrift, die meisten Amerikaner die Todesstrafe oder Verbannung gewünscht haben. (17)
Die Emotionalisierung des Krieges
Die emotionale Empfindung des Kriegsgeschehens ist bekanntlich stärker als die Vorstellungen über Gerechtigkeit des Krieges und alle anderen juristischen Formalismen. Die Übertragung der großen Kriegsfragen im Bereich der Politik und Moral bedeutet also eine zunehmende Rolle für die öffentliche Meinung, die ihrerseits stark von den Medien beeinflusst wird, die ihrerseits weitgehend von der Macht manipuliert werden. Das ist eigentlich die Binsenwahrheit: Seit der Erfindung des Buchdrucks sind die Medien ein fester Bestandteil aller Kriege, Revolutionen und Konflikte. Die Oktoberrevolution 1917 wurde bekanntlich durch die Ausgabe und Verbreitung der Lenins Zeitung „Iskra“ vorbereitet, unter dem Motto „Aus einem Funken wird eine Flamme entfacht“. Mit Hilfe der Nazi-Propaganda wurden die Juden und das kommunistische Russland als Deutschlands schlimmste Feinde ausgemacht. Seit dem 11. September 2001 werden Muslime und der politische Islam als die gefährlichsten Feinde des Westens angesehen. Usw. Heute ist Putins Russland als Feind des Westens gemalt, sogar mit den Bemühungen, Putin zusammen mit russischer Bevölkerung und russischer Kultur an den gleichen Pranger zu stellen. Seinerseits konstruieren russische Medien aus Westen einen natürlichen Feind der russischen Zivilisation.
Heute, bei der totalen Politisierung aller Bereiche des öffentlichen Lebens – von Sport, Medizin und Kultur bis Wirtschaft, Bildung und Forschung, – klingt das wie noch ein Schmitts Wartungssignal: Wenn die Rechtswissenschaft der Politik Platz macht, wird es Krieg geben. Angesichts der totalen Politisierung der Kriegsfragen, bei der die bevorstehende Rechtsfrage und Probleme als „unjuristisch außerhalb des Juristischen“ erklärt sind, steht die Welt erneut vor einer globalen Herausforderung: der Verhinderung eines neuen Weltkriegs. Die Justiz zeigt wieder ihre volle Hilflosigkeit gegenüber Politik und Moral. Sie verweigert, sogar absichtlich, die großen Kriegsprobleme in der Öffentlichkeit deutlich zu erklären. Wer trägt die Schuld an den Kriegen in Jugoslawien, Irak, Syrien, Libyen, Ukraine? Was sind die Kriegsursachen in diesen Kriegen? Wer ist Aggressor und wer ist Verteidiger? Wer soll entscheiden, welcher Krieg gerecht, ungerecht oder völkerrechtswidrig ist? Usw. Leider können solche wichtigen Fragen von manchen Menschen unbeachtet bleiben: Über sie nicht die Justiz, sondern Politik und Moral entscheiden, wo die Bildung der öffentlichen Meinung durch Medien die erste Geige spielt.
Dies zeigt sich besonders deutlich im Konflikt in der Ukraine. Die Leichtigkeit, mit der heute die öffentliche Meinung im Westen die Schuld an der Ukraine-Krise und allgemein für die Weltkrise allein auf Russland schiebt, zeigt deutlich, dass das alte Dilemma zwischen Politik und Justiz, das zum Scheitern der Genfer Liga geführt und die Tür zum Zweiten Weltkrieg geöffnet hat, noch nicht überwindet ist. Die Massenmedien übernehmen die Führungsrolle in der Bildung der öffentlichen Meinung und verdrängen die rechtlichen Fragen des Ukraine-Konfliktes in ihren virtuellen Ersatz, wo nicht die Suche nach Wahrheit, sondern die Erregung von Emotionen unter der Bevölkerung die entscheidende Rolle spielt. Es ist nicht zufällig, dass für viele Menschen die Ukraine-Krise und überhaupt die chaotischen Auseinandersetzungen in der Welt einfach nicht begreifbar sind. Das Verbot des Krieges und die Erklärung des Krieges zum Verbrechen bedeuten also noch nicht die elementar einfache Beseitigung der Kriegsgefahr selbst – eine leider vergessene Botschaft aus der Zwischenkriegszeit von 1919 bis 1939.
Die UNO als Nachfolger der Genfer Liga hat das Schicksal ihrer Vorgänger nur dadurch vermeidet, weil, neben dem Mehrheitsprinzip bei der Erfassung von ihren Beschlüssen, auch das Vetorecht im UN-Sicherheitsrat eingeführt wurde. Man kann sagen, dass das Vetorecht im Kalten Krieg zum wichtigsten Instrument nicht der Abschaffung, sondern der Hegung des Krieges geworden war. Um sich davon zu überzeugen, reicht es, einen Blick auf die Veto-Liste von 1946 bis 2017 zu werfen. (18)
Ab 1946 bis 1969 hat am meisten die UdSSR das Vetorecht benutzt, aber seit 1970 bis 1991, wenn die Sowjetunion in UNO die mehrheitliche Unterstützung bekam, verwendeten das Vetorecht vorwiegend die USA, Frankreich und Großbritannien. Es ist logisch, dass nach dem Zerfall der Sowjetunion das Vetorecht vorwiegend von Russland und China benutzt wird: Seit 1989/90, wenn der Westen als Sieger im Kalten Krieg nach neuer Formel des Weltfriedens zu suchen begann (ähnlich wie es nach dem Ersten Weltkrieg war), sind für ihn die schon bestehende Methode der Kriegsverhütung und insbesondere das Vetorecht zum Problem geworden. Es ist auch nicht zufällig, dass von den westlichen Staaten die Forderung, das Vetorecht abzuschaffen und den UNO-Sicherheitsrat zu reformieren, lauter geworden ist, stößt sich aber auf einen energischen Widerstand von Russland und China.
Ob die Abschaffung des Vetorechts, die einige westliche Länder anstreben, die Welt friedlicher machen kann, ist aber eine große Frage.
Die Kriminalisierung des Krieges
Die größte Gefahr für den Weltfrieden liegt nach Schmitt nicht im Krieg selbst, sondern in der Kriminalisierung des Krieges, die nach dem Ersten Weltkrieg begann und sich in dem Anspruch der Siegermächte konzentrierte, zu entscheiden, welcher Krieg gerecht oder ungerecht ist, ohne auf die wichtigsten Fragen des Krieges einzugehen, wie etwa die Kriegsschuldfrage oder das Recht auf Selbstverteidigung.
Bei der Erklärung, welcher Krieg gerecht oder ungerecht ist, spielen, nach Schmitt, zwei juristische Begriffe, justus hostis und justa causa, eine fundamentale Bedeutung. Beim justus hostis geht es um einen rechtlich anerkannten, vom Verbrecher und vom Unmenschen unterschiedenen Feind. Die Fähigkeit, einen justus hostis anzuerkennen, ist für Schmitt der Anfang allen Völkerrechts. Bei justa causa geht es um die Frage der Kriegsursache, die eine Erklärung von vielen anderen, bei jedem Krieg entstehenden Fragen verlangt, etwa: Was ist Tatbestand des Verbrechens? Wer ist Aggressor und wer ist Verteidiger? Wer ist Ankläger und wer ist Angeklagter? Usw. Besonders die Kriegsschuldfrage war in allen Zeiten ein schwer gelostes Problem, bei dem große Skepsis herrscht, ob es überhaupt möglich ist, den Aggressor vom Verteidiger zu unterscheiden.
Die Lehre des gerechten Krieges
Diese zwei Begriffe, justus hostis und justa causa, lagen im Grunde der Lehre des gerechten Krieges, die in der Republica Christiane im Folge des christlichen Missionismus entstanden und spanische und portugiesische Conquista und insgesamt die Kolonisierung von nicht-christlichen Völkern rechtfertigen sollte. Entsprechend dieser Lehre waren alle christlichen Fürsten rechtlich anerkannte justus hostis, also gerechte Krieger, die sich von den Gedanken über die Schuldfrage abstrahieren konnten, weil alle formalen Fragen der justa causa auf sich die Autorität der Kirche übernahmen. Auch die von der Kirche autorisierten Kreuzzüge waren die gerechten Kriege.
Seit 16. Jahrhundert verliert aber die mittelalterliche Lehre des gerechten Krieges jede Bedeutung: Sie wurde durch Jus Publicum Europaeum abgeschafft. Alle Kriegsgegner wurden von europäischer Gemeinschaft als justus hostis anerkannt. Die Gerechtigkeit des Krieges bestimmt nicht mehr die völkerrechtliche Autorität der Kirche, sondern die gleichberechtigte Souveränität der Staaten.
Gleichzeitig suchte das europäische Völkerrecht, justa causa zurückzudrängen. Schmitt erläutert: „Die Ordnung des interstatalen Völkerrechtes geht, statt von der justa causa, vom justus hostis aus und bezeichnet jeden zwischenstaatlichen Krieg zwischen gleichberechtigten Souveränen als rechtmäßigen Krieg.“ Nach Schmitt war es der große Fortschritt des zwischenstaatlichen europäischen Völkerrechts. Auf diese Weise verlor der Krieg den Strafcharakter und eine Tendenz zur Diskriminierung des Gegners. Im Vergleich zu der Brutalität von vernichtenden Religions- und Parteikriegen und im Vergleich zu Kolonialkriegen, die gegen „wilde“ Völker geführt wurden, bedeutete das eine Rationalisierung und Humanisierung von stärkster Wirkung. Der Feind hört auf, etwas zu sein, das vernichtet werden muss. Dadurch wird die Beseitigung oder Vermeidung des Vernichtungskrieges möglich. So ist, nach Schmitt, dem europäischen Völkerrecht die Hegung des Krieges mit Hilfe des Staatsbegriffes gelungen. (19)
Moderne Lehre des gerechten Krieges
Doch nach der Auflösung des Jus Publicum Europaeum löst sich auch das Konstrukt des europäischen Friedens. Nicht mehr die Gleichberechtigung der souveränen Staaten als der formale Anhaltspunkt für die Bestimmung des gerechten Krieges, sondern die Autorität der Siegermächte, als analog zur alten Autorität der Kirche, übernimmt nun das Recht zu entscheiden, was eine Gerechtigkeit im Krieg bedeutet und wer einen Kriegsverbrecher ist. Die Lehre des gerechten Krieges wird wieder populär.
Schmitt zufolge handelte es sich jedoch nicht um eine Rückkehr, sondern um einen fundamentalen Wandel der in der mittelalterlichen Lehre vorausgesetzten Begriffe von Feind, von Krieg und von Gerechtigkeit. Die mittelalterliche Lehre erkannte doch in den nicht-christlichen Gegnern den justus hostis und hebe den Kriegsbegriff als solchen nicht auf. „Dagegen, betont Schmitt, erstrebt die heutige Theorie des gerechten Krieges gerade die Diskriminierung des Gegners, der den ungerechten Krieg führt. Der Krieg selbst wird zum Verbrechen in der kriminellen Bedeutung des Wortes. Der Aggressor wird zum Verbrecher im äußersten kriminellen Sinn des Wortes erklärt; er wird outlaw gestellt wie ein Pirat.“ (20)
Auf diese Weise wird der Gegner nicht mehr zum justus hostis, sondern zum Verbrecher. Alle formalen Fragen der justa causa, also die Fragen der Kriegsschuld, übernimmt auf sich die Autorität der Siegermächte gemäß ihrem Status quo und die Pflicht, die Ordnung zu bewahren. Also in der gleichen Weise, wie es die Autorität der Kirche machte, um die Kreuzzüge und Missionsaufträge in den kolonisierten Gebieten zu autorisieren. (21)
Die Abschaffung des Krieges als amerikanisches Ideal des Weltfriedens macht aber Krieg selbst zum Verbrechen in der kriminellen Bedeutung des Wortes. Außerdem, bemerkt Schmitt, „steckt in der Gerechtigkeit des Krieges, wenn diese auf die justa causa bezogen wird, immer ein latenter Ansatz zur Diskriminierung des ungerechten Gegners und damit zur Beseitigung des Krieges als Rechtsinstitut“. Nach Schmitt wird dann der Krieg schnell zur bloßen Strafaktion, der Feind wird einfach Verbrecher, und das Weitere, nämlich die Entrechtung und Plünderung des Gegners, d. h. die Zerstörung des formal immer noch einen justus hostis voraussetzenden Feindbegriffes, ergibt sich dann praktisch von selbst. (22)
Der Sinn der Abschaffung des Krieges
Nun ist der Sinn der Abschaffung des Krieges als amerikanisches Ideal des Weltfriedens erkennbar. Schmitt schreibt: „Bei dem modernen, diskriminierten Kriegsbegriff dient der Unterscheidung von Recht und Unrecht des Krieges gerade dazu, dass der Feind nicht mehr als justus hostis, sondern als krimineller Verbrecher behandelt wird. Der Krieg hört infolgedessen aus, ein völkerrechtlicher Begriff zu sein, wenn auch die Tötung, Plünderung und Vernichtung keineswegs aufhört, sondern sich durch neue, moderne Vernichtungsmittel sogar noch steigert. Indem der Krieg auf der einen Seite zur Strafaktion im Sinne des modernen Kriminalrechts wird, kann der Gegner auf der anderen Seite kein justus hostis mehr sein. Gegen ihn wird nicht mehr Krieg geführt, wenig wie gegen einen Piraten, der in einem ganz anderen Sinne Feind ist als der Kriegsgegner im Sinne des europäischen Völkerrechts. Er hat ein Verbrechen im kriminellen Sinne begangen, das Verbrechen des Angriffs. Die Aktion gegen ihn ist infolgedessen ebenso wenig Krieg wie die Aktion der staatlichen Polizei gegen einen Gangster Krieg ist; sie ist bloße Exekution und schließlich – mit der modernen Verwandlung des Strafrechts in soziale Schädlingsbekämpfung – nur eine Maßnahme gegen einen Schädling oder Störer, der mit allen Mitteln moderner Technik unschädlich gemacht wird. Der Krieg ist abgeschafft, aber nur deshalb, weil die Feinde sich gegenseitig nicht mehr auf der gleichen moralischen und juristischen Ebene anerkennen.“ (23)
Mit anderen Worten, die Autorität der Siegermächte macht möglich, aus moralisch-politischen Gründen, eine militärische Intervention nicht mehr als Krieg, sondern als eine Strafaktion oder als eine Maßnahme gegen Störung des Friedens zu definieren, bei denen der angreifende Gegner kein justus hostis, sondern ein einfacher Kriegsverbrecher ist. Die Abschaffung des Krieges als neue Konstruktion der Weltordnung und die Kriminalisierung des Krieges sind nun zu zwei Seiten derselben Medaille geworden: Das eine setzte das andere voraus. Beide – Abschaffung und Kriminalisierung des Krieges – stellen die Politik und Moral höher als die Justiz.
Die Kriminalisierung des Krieges nach dem Zusammenbruch der UdSSR
Doch in der Zwischenkriegszeit und insbesondere im Kalten Krieg verfügte die Kriminalisierung des Krieges keinen großen Spielraum: Erst Nazideutschland und dann die Sowjetunion zeigten den Siegermächten des Ersten Weltkriegs ihr eigenes Machtpotenzial. Erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat die Kriminalisierung des Krieges eine echte Blüte erlebt. Sie realisiert sich im Anspruch Amerikas, als Sieger im Kalten Krieg, endlich zur einzigen Supermacht zu werden.
Seit 1989/90 erheben die USA den Anspruch, nach ihrem neuen Status quo und ihrer Autorität allein darüber zu entscheiden, welche Kriege gerecht oder ungerecht sind, wer der Aggressor und der Kriegsverbrecher ist, ohne Rücksicht auf die kritischen Fragen des Krieges, wie justus hostis und justa causa. Amerika hat begonnen, seinen Gegnern nicht als gerechten Feinden, sondern als kriminellen Verbrechern zu behandeln, gegen die keinen Krieg geführt wird, sondern eine Strafaktion, benannt als Spezialoperationen mit den schillernden Namen: Allied Force in Jugoslawien 1999, Iraqi Freedom in Irak 2003 und Odyssey Dawn in Libyen 2011.
Mit der Diskriminierung Putins Russlands, die lange vor der Ukraine-Krise begonnen hatte, lässt keinen Zweifel daran, dass die Kriminalisierung des Krieges heute in vollem Gange ist. Der Russischen Föderation wurde abgesagt, ein gerechter Feind zu werden. Die Lehre des justus hostis, die im Kalten Krieg noch wirkte, und zwar wenn beide geopolitische Gegner, die USA und die Sowjetunion, sich gegenseitig als gerechte Feinde akzeptieren müssten, wurde als unnötig weggeworfen. Nicht die gleichberechtigten Rivalen in der Frage der Weltsicherheit, sondern allein die USA und ihre Verbündeten sollen nun entscheiden, was für Weltfrieden gut oder schlecht ist. Die Aggression und die Verteidigung vermischen sich wieder in einem, von westlicher Zivilisation geführten – im Namen der Weltordnung – „gerechten Krieg“. Gesunde Zweifel daran, wer in diesem Krieg wirklich angegriffen wird, werden im Keim erstickt.
Vernichtungscharakter des modernen Krieges
Schon damals, nach dem Zweiten Weltkrieg, unter der Prägung der angloamerikanischen Bombardierung der deutschen Städte, sah Schmitt im Wandel des zwischenstaatlichen Krieges zum modernen gerechten Krieg eine globale Gefährdung des Weltfriedens. Jeder Krieg und auch ein gerechter Krieg, betont Schmitt, ist von der Waffe abhängig. Die technische Entwicklung des Vernichtungsmittels ändert den Charakter des Krieges grundsätzlich. Schmitt zeigt das an dem Beispiel der Luftwaffe. Der Luftkrieg trägt einen Vernichtungscharakter, weil der Bombenabruf aus der Luft „nur den Sinn und Zweck einer Vernichtung“ hat. (24)
Die modernen Kriege sind also von technischer Entwicklung der Fernwaffen stark geprägt und sind im Prinzip die Vernichtungskriege. Im 21. Jahrhundert wird das zur Kernfrage des Krieges: Zu den modernen Vernichtungswaffen gehören heute sicherlich nicht nur Bomben- oder Tiefflieger, über welche Schmitt schreibt, sondern auch Drohnen, Rakete und Systeme, die diese Rakete und Drohnen anfangen und vernichten können. Dieser Waffentyp hat – im Zusammenhang mit dem Sinnwandel des Krieges – eine noch größere zerstörerische Wirkung als die Luftkriegsführung.
Die beiden Probleme – technisches und des gerechten Krieges – sind also die wichtigsten Fragen des Weltfriedens. Zum Krieg auf beiden Seiten, betont Schmitt, gehört eine gewisse Chance, ein Minimum von Möglichkeit des Sieges. „Hört das auf, so ist der Gegner nur noch Objekt einer Zwangsmaßnahme. Dann steigert sich der Gegensatz der kämpfenden Parteien in entsprechendem Grade.“ Nun formuliert Schmitt das wirkliche Problem des modernen, gerechten Krieges: „Die Überlegene hält seine Waffen-Überlegenheit für einen Beweis seiner justa causa und erklärt den Feind für einen Verbrecher, weil man den Begriff des justus hostis nicht mehr zu realisieren vermag. Die Diskriminierung des Feindes zum Verbrecher und die gleichzeitige Hineinziehung der justa causa laufen parallel mit der Steigerung der Vernichtungsmittel und mit der Entortung des Kriegsschauplatzes. Die Steigerung der technischen Vernichtungsmittel reißt den Abgrund einer ebenso vernichtenden, rechtlichen und moralischen Diskriminierung auf.“ (25)
Diskriminierung Russlands
Im Kalten Krieg herrschte ein atomares und militärisches Gleichgewicht zwischen zwei Supermächten, der verhinderte, den Gegner zu kriminalisieren. Die beiden Supermächte, die USA und die Sowjetunion, galten in allen internationalen Organisationen als anerkannte und gleichberechtigte Mächte. Die justa causa, also die Frage der Kriegsursache, löste sich dabei in der ideologischen Konfrontation: Die Autorität der beiden Mächten war genügend, um die eigenen Interessen militärisch zu verteidigen. Die Kriege wurden nicht abgeschafft (Vietnam, Afghanistan usw.), aber seit der Karibischen Krise 1962 befand sie sich im Rahmen der Regional- oder Stellvertreterriegen, ohne einen vernichtenden atomaren Krieg aufzurufen.
Seit Mitte der 1990er, nach der NATO-Erweiterung und voller Ignorierung von Sicherheitsinteressen Russlands, ist die Russische Föderation von Subjekt zum Objekt einer Zwangsmaßnahme geworden. Je mehr die USA über die technische Überlegenheit gegenüber geschwächtem Russland verfügte, die sich in die modernen Vernichtungsmittel konzentrierte, desto mehr sie zur Verlockung neigte, Russland als Feind zu diskriminieren – rechtlich, moralisch oder noch auf welcher Art. Alle Strafaktionen gegen Russland bekommen nun den Status des gerechten Krieges.
„Im gerechten Krieg der gerechten Seite jedes Mittel erlaubt sein sollte“, lautet die christlich-theologische Lehre vom gerechten Krieg. Schmitt zeigt, zu welchen Ergebnissen der Geist des gerechten Krieges führen könnte: „Indem man heute den Krieg in eine Polizeiaktion gegen Störenfriede, Verbrecher und Schädlinge verwandelt, muss man auch die Rechtfertigung der Methoden dieses „police bombing“ steigern. So ist man gezwungen, die Diskriminierung des Gegners ins Abgründe zu treiben.“ (26)
Ein Übergang vom gerechten zum totalen Krieg wird hier sichtbar. Die rasant steigende Russophobie und persönliche Diskriminierung des russischen Präsidenten Putin lassen sich nicht lange nach konkreten Beispielen solcher Entwicklung suchen. Auch die Risiken der möglichen Überschreitung von gerechtem zum total vernichtenden Krieg, wenn „im gerechten Krieg der gerechten Seite jedes Mittel erlaubt sein sollte“, sind nun offensichtlich. In der Konfrontation zwischen zwei, heute wieder gleichgewichtigen atomaren Mächten, Amerika und Russland, wäre es der eine atomare Vernichtungskrieg.
Es ist nicht zufällig, dass Schmitt sein Werk Der Nomos der Erde gerade mit der Warnung vor Kriminalisierung des Krieges beendet hat. Sie ist die bedrohlichste Hürde auf dem Weg zum Frieden.
Ein hegemoniales Gleichgewicht Amerikas
Das Gleichgewichts-System der rechtlich anerkannten und wirklich souveränen Staaten des Jus Publicum Europaeum war die tragende Säule des europäischen Friedens vom 16. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Es wurde aber nach dem Ersten Weltkrieg, im Zusammenhang mit der Auflösung des Jus Publicum Europaeum, durch ein neues System ersetzt, das von den Vereinigten Staaten von Amerika auf dem amerikanischen Kontinent erfolgreich erprobt wurde und nach dem Krieg im Völkerbund seinen Platz fand.
Schmitt verwendet den Begriff „hegemoniales Gleichgewicht“, um die amerikanische Erfahrung beim Aufbau des neuen Systems zu beschreiben. Es ist der Fall, wenn „die Hegemonie eines überragend Stärkeren viele Mittlere und Kleinere in Ordnung hält“. Es waren zuerst die amerikanischen Staaten wie Kuba, Haiti, San Domingo, Panama und Nicaragua, die formal souverän, aber in der Wirklichkeit von Vereinigten Staaten wirtschaftlich und militärisch abhängig waren. Es führte zum modernen Typus der Intervention, wenn das amerikanische Interventionsrecht nicht nur durch Stützpunkte, militärische Besetzungen oder in anderen Formen der Gewalt gesichert wurde, sondern auch durch Verträge und Vereinbarungen mit den gelenkten Staaten, „so dass es möglich ist, zu behaupten, im rein juristischen Sinne liege hier überhaupt keine Intervention mehr vor.“ (27)
Gleichgewichts-System nach Muster des Jus Publicum Europaeum und hegemoniales Gleichgewichts-System nach amerikanischer Art sind seitdem zu zwei konkurrierten Konzepten des Weltfriedens geworden. Die europäische Gleichgewichts-Vorstellung, die eine echte, nicht nur formale Souveränität der Akteure voraussieht, hat sicherlich einen Vorteil: Sie hat schon zwei Mal beweist, dass sie fähig ist, eine Hegung des Krieges zu bewirken – in Europa vom 16. bis zum 20. Jahrhundert und im Rahmen der bipolaren Welt des Kalten Krieges. Das hegemoniale Gleichgewichts-System, das sich auf der Lenkung von Mittleren und Kleinen durch die Hegemonie eines überragend Stärkeren beruht, sollte man seine praktische Überlegenheit doch noch beweisen: Es hat in der Zwischenkriegszeit von 1919 bis 1939 keine Erfolge gezeigt, aber auch heute sich noch nicht überzeugend bewirkt, obwohl es nach dem Ende des Kalten Krieges eine universelle Chance bekommen, die Welt in allen ihren Formen und in allen ihren Instituten zu lenken.
Die Entwicklung der amerikanischen Hegemonie
Die Entwicklung der Vereinigten Staaten von Amerika zum planetarischen Hegemon ist gut in den amerikanischen Doktrinen und Erklärungen nachvollziehbar. Schmitt hebt die Bedeutung von vier solchen Dokumenten hervor: Tobar-Doktrin 1907, Kellogg-Pakt 1928, Stimson-Doktrin 1932 und Erklärung von Panama 1939. Er schreibt: „Nach der sog. Tobar-Doktrin, die einer Vereinbarung der mittelamerikanischen Republiken Costa-Rica, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Salvador vom 20. Dezember 1907 zugrunde lag, soll keine Regierung eines anderen Staates anerkannt werden, die durch einen Staatsstreich oder eine Revolution zur Macht gelangt ist, solange sie nicht durch eine freigewählte verfassungsmäßig organisiert ist. Damit war die demokratische Erscheinungsform der Legalität und Legitimität zum völkerrechtlichen Standard erklärt. Die Praxis des Präsidenten W. Wilson hat diesen Standard demokratischer Legalität für den Bereich der westlichen Hemisphäre (eine Zone der Selbstverteidigung und Raumhoheit der Vereinigten Staaten von Amerika, Anm. d. Autors) zum völkerrechtlichen Grundsatz erhoben. Danach werden nur solche Regierungen anerkannt, die im Sinne einer demokratischen Verfassung legal sind. Was demokratisch und legal in concreto bedeutet, wird in der Praxis selbstverständlich von der anerkennenden Regierung selbst, also hier von der Regierung der Vereinigten Staaten, definiert, interpretiert und sanktioniert.
Offensichtlich hat eine solche Doktrin und Praxis der Anerkennung neuer Regierungen interventionistischen Charakter. Für die westliche Hemisphäre führt sie im Ergebnis dazu, dass die Regierung in Washington jeden Verfassungs- und jeden Regierungswechsel eines anderen amerikanischen Staates effektiv kontrollieren kann. Solange sich die Vereinigten Staaten auf die alte westliche Hemisphäre beschränken, bezieht sich das nur auf diesen Großraum. Es betrifft aber jeden anderen Staat der Erde, sobald sie den globalen Anspruch des Welt-Interventionismus erheben.“ (28)
Mit dem Kellog-Pakt von 1928, betont Schmitt, änderte sich der Weltaspekt des Völkerrechts: „Jetzt trat die westliche Hemisphäre auf den Plan und bestimmte den weiteren Sinnwandel des Krieges.“ Die amerikanische outlawry of war, also die Ächtung und Verurteilung des Krieges, sollte nun für die ganze Erde gelten. Sie hatte den Sinn, „die große Entscheidung über die Zulässigkeit eines Weltkrieges auch gegenüber der Genfer Liga und gegenüber England und Frankreich, den beiden die Genfer Liga beherrschenden europäischen Mächten, in der Hand der Vereinigten Staaten zu halten“. (29)
Die Stimson-Doktrin 1932 (bekannt auch als Hoover-Stimson-Doktrin) knüpft juristisch an den Kellogg-Pakt von 1928 an. Schmitt schreibt: „Danach behält sich die Regierung der Vereinigten Staaten für alle Teile der Erde das Recht vor, Besitzänderungen, die durch unrechtmäßige Gewalt zustande gekommen sind, die ‚Anerkennung‘ zu versagen. Das bedeutet, dass die Vereinigten Staaten, über die Unterscheidung von westlicher und östlicher Hemisphäre hinweg, den Anspruch erheben, über Recht und Unrecht jeder Gebietsänderung auf der ganzen Erde zu entscheiden. Ein solcher Anspruch betrifft die Raumordnung der Erde. Jeder Vorgang an irgendeinem Punkt der Erde kann die Vereinigten Staaten angehen.“ Schmitt zitiert die Worte des Präsidenten Hoover (1928), die von Außenminister Stimson bei der Begründung seiner Doktrin in den Mittelpunkt gestellt worden waren: „An act of war in any part of the world is an act that ihjures the interests of my country.“ Auf Deutsch: „Eine Kriegshandlung in irgendeinem Teil der Welt ist eine Handlung, die den Interessen meines Landes widerspricht“. Zur völkerrechtlichen Bedeutung der Doktrin schreibt Schmitt: „Die Praxis des jus publicum Europaeum suchte die Konflikte im Rahmen eines Gleichgewichtssystems zu erfassen; jetzt werden sie im Namen der Einheit der Welt universalisiert.“ In diesem neuen Gesichtspunkt sah aber Schmitt die Rechtfertigung der Interventionen, „die alle wichtigen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten der Erde erfassen“. Dadurch wurde der Übergang zur Welt-Intervention vollendet. Wie Schmitt feststellt: „Damals, bei Beginn des Sezessionskrieges, waren die Vereinigten Staaten ganz in einer sich isolierten Defensive. Die Erklärung von 1932 dagegen stellt ihre neue Doktrin auf interventionistische Basis.“ (30)
Eine besondere Rolle spielte die Erklärung von Panama vom 3. Oktober 1939. Schmitt schreibt: „Innerhalb einer durch diese Erklärung bestimmten Sicherheitszone zum Schutz der Neutralität amerikanischen Staaten sollen die Kriegsführenden keine feindlichen Akten vornehmen. Die Linie dieser Sicherheitszone erstreckt sich zu beiden Seiten der amerikanischen Küsten bis auf 300 Seemeilen in den Atlantischen und in den Pazifischen Ozean hinein.“ Es war eine neue Art von Raumausgrenzungen aus dem freien Meer als Kriegsschauplatz. „Früher dachte man, wenn man vor der Monroe-Doktrin sprach, im Allgemeinen nur an das feste Land westlicher Hemisphäre und setze für den Ozean die Freiheit der Meere im Sinne des 19. Jahrhunderts voraus. Jetzt werden die Grenzen Amerikas auch auf die See erstreckt.“ Es war, nach Schmitt, eine neue, moderne Form der Seenahme und der Beseitigung früherer Seenahme. (31)
Der Beginn des Kalten Krieges
Die Truman-Doktrin 1947 steht nicht in der Liste von Schmitt untersuchten Dokumenten, obwohl sie zur logischen Folge der Entwicklung des amerikanischen Welt-Interventionismus gehört. Im amerikanischen Programm, das der Präsident Truman am 12. März 1947 vor beiden Häusern des Kongresses angekündigt hat, begriffen sich die USA als Hüter der freiheitlichen Gesellschaftsordnung gegen kommunistische Bedrohungen. Truman sagte: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Weltgeschichte muss fast jede Nation zwischen alternativen Lebensformen wählen. Nur zu oft ist diese Wahl nicht frei. Die eine Lebensform gründet sich auf dem Willen der Mehrheit und ist gekennzeichnet durch freie Institutionen, repräsentative Regierungsformen, freie Wahlen, Garantien für die persönliche Freiheit, Rede- und Religionsfreiheit und Freiheit von politischer Unterdrückung. Die andere Lebensform gründet sich auf dem Willen einer Minderheit, den diese der Mehrheit gewaltsam aufzwingt. Sie stützt sich auf Terror und Unterdrückung, auf die Zensur von Presse und Rundfunk, auf manipulierte Wahlen und auf den Entzug der persönlichen Freiheiten. Ich glaube, es muss die Politik der Vereinigten Staaten sein, freien Völkern beizustehen, die sich der angestrebten Unterwerfung durch bewaffnete Minderheiten oder durch äußeren Druck widersetzen. … Die freien Völker der Welt rechnen auf unsere Unterstützung in ihrem Kampf um die Freiheit. Wenn wir in unserer Führungsrolle zaudern, gefährden wir den Frieden der Welt – und wir schaden mit Sicherheit der Wohlfahrt unserer eigenen Nation.“ (32) Demokratie wurde also zum Kampfbegriff der Welt-Intervention.
Die berühmte Rede des britischen Premierministers Winston Churchill vom „Eisernen Vorgang“ (1946) und Truman-Doktrin gelten als Beginn des Kalten Krieges. Man kann sagen, dass es sich um die offizielle Ankündigung der Geburt des neuen normativen Projekts des Westens handelt, das sich auf dem hegemonialen Gleichgewichts-System beruht. Der Zeitpunkt war mehr als günstig: Die USA haben als erstes Land in ihre Hände die Atomwaffe bekommen und sie sogar in Hiroshima und Nagasaki erprobt. Es wäre ein überzeugendes Argument bei der Realisierung des normativen Projektes des Westens, hätte die Sowjetunion in einer kürzeren Zeit kein eigenes Atomprogramm entwickelt. Am 29. August 1949 wurde die sowjetische Atombombe erfolgreich getestet und die Realisierung des Projektes wurde in die Zukunft verschoben – aufgrund des atomaren Gleichgewichtes zwischen Sowjetunion und den USA.
Der Zusammenbruch der Sowjetunion
Der unglaublich schnelle Zerfall des kommunistischen Blocks gab dem Westen die Illusion, sein normatives Projekt problemlos zu realisieren. Die Vorstellungen eines Gleichgewichtes, das das Gleichgewichts-System voraussieht, und eines universellen Globalismus, der sich auf dem hegemonialen Gleichgewichts-System beruht, bekommen nun eine grundlegende Bedeutung beim Aufbau der Weltordnung im 21. Jahrhundert. In der Logik der einzigen Supermacht Amerikas ist ein Gleichgewicht von souveränen Staaten wie überhaupt eine wirkliche – nicht nur formale – staatliche Souveränität zu viel oder sogar gefährlich. Das ist besonders spürbar heute in der Tätigkeit von zahlreichen internationalen Organisationen, wo die formale Souveränität ihrer Mitglieder gesichert ist, aber de facto ihre wirtschaftliche und politische Abhängigkeit vom globalen Machtzentrum Amerikas bleibt unerschütterlich. Die UNO ist keine Ausnahme. Einerseits ist das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung der Souveränen in der Charta der Vereinten Nationen festgeschrieben. Dort steht: „Die Organisation beruht auf dem Grundsatz der souveränen Gleichheit aller ihrer Mitglieder.“ (33) Andererseits ist es naiv zu glauben, dass die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen wirklich in ihren Entscheidungen unabhängig sind. Ein globaler Konflikt zwischen Westen und Russland und insbesondere der Ukraine-Konflikt liefert dafür zahlreiche Beispiele.
Putins Russland brauchte 20 Jahre, um seine Armee zu modernisieren und das atomare Gleichgewicht mit den USA – nach den großen Verlusten in den 1990er Jahren – neu auszurichten. Die Voraussetzungen für das nukleare Gleichgewicht des Kalten Krieges sind wiederhergestellt. Das bedeutet, dass das System des hegemonialen Gleichgewichts wieder mit dem Gleichgewichts-System kollidiert ist, nun aber nicht mehr mit einer bipolaren, sondern multipolaren Welt.
Angriff, Angriffskrieg, Angreifer: Was ist damit gemeint?
Nach Schmitt wurden in den Jahren 1920 bis 1924 viele Versuche und Vorschläge gemacht, „um das Kriegsverhütungs-System der Genfer Liga zu stärken“. Doch es wurde zu keiner Vereinbarung gekommen, was ein Angriff, ein Angriffskrieg und insbesondere was ein mit Strafe bedrohtes internationales Verbrechen sein soll. Das Genfer Protokoll vom 2. Oktober 1924 enthält zwar den Satz, „dass der Angriffskrieg ein internationales Verbrechen ist“, aber keine Entwürfe des Protokolls waren laut Schmitt perfekt. Auch selbst Genfer Protokoll ist nicht in Kraft getreten: Es ist infolge des englischen Wiederstandes gescheitert, aufgrund von Gedanken, dass formale Definitionen des Angreifers nicht unterschieden werden können, ob militärische Aktionen einem Verteidigungszweck dienen oder nicht. Schmitt stützt sich dabei auf die Erklärung der englischen Regierung, von Sir Austen Chamberlain am 12. März 1925 vor dem Rat der Genfer Liga. In der Erklärung heißt es unter anderem, „dass solche formalen Bestimmungen des Angriffs und Angreifers die Lösung des eigentlichen Problems, nämlich der Ursachen des Krieges, und ebenso die Abrüstung nicht beschleunigen, sondern eher verhindern.“ (34)
Der Angriffskrieg auf Amerikanisch
Die Amerikaner hatten aber die andere Auffassung: Sie bezeichneten den Angriffskrieg mit großem Nachdruck als Unrecht. Besonders bekannt ist der sogenannte Entwurf Shotwell bei der Vorbereitung des Genfer Protokolls von 1924 – nach dem Namen des Sprechers der amerikanischen Friedensdelegation, James T. Shotwell. Dieser Entwurf trug die Überschrift „Outlawry of Aggressive War“ und erklärte den Angriffskrieg (aggressive war) für ein Verbrechen. Übrigens war damals für die amerikanischen Delegierten nur Staat der Täter dieses Verbrechens, und die Sanktionen als Bestrafung „waren nicht kriminalrechtlicher, sondern hauptsächlich ökonomischer Art“. (35)
Solchen Konflikt zwischen europäischer und amerikanischer Denkweise beschreibt Schmitt als den Gegensatz zwischen Methoden der kontinental-europäischen Juristen bei der Hegung des Krieges und der Vorstellungsweise der öffentlichen Meinung Amerikas, „sobald es sich um das Problem der Abschaffung des Krieges handelt“. Dieser tiefe Gegensatz, meint Schmitt, „lässt sich nur dadurch lösen, dass die juristische Frage nach dem eigentlichen Tatbestand des neuen internationalen Verbrechens geklärt wird“. Das heißt, dass bei allen Bestrebungen einer outlawry des Krieges geklärt sein sollte, worüber es geht: um ein Verbrechen des Krieges, um Verbrechen des Angriffs, um Verbrechen des Angriffskrieges oder schließlich um ein Verbrechen des ungerechten Krieges? Das sind, nach Schmitt, doch offensichtlich ganz verschiedene Verbrechen mit ganz verschiedenen Tatbeständen.
Zwischen Angriffsakt und Angriffskrieg
Die Unterscheidung des Angriffsaktes von dem Angriffskrieg wäre dabei besonders wichtig. Das ist, nach Schmitt, nur auf den ersten Blick künstlich und formalistisch. Er schreibt: „Jeder Krieg, auch der Angriffskrieg, ist als Krieg normalerweise ein zweitrangiger Vorgang, ein Kampf auf beiden Seiten. Der Angriff dagegen ist ein einseitiger Akt. Die Frage nach dem Recht oder Unrecht des Krieges, auch eines Angriffskriegs, im Ganzen bedeutet etwas völlig anderes als die Frage nach dem Recht oder Unrecht eines bestimmten Angriffsaktes, mag dieser Angriffsakt nun zu einem Krieg führen oder noch rechtzeitig gestoppt werden. Angriff und Verteidigung sind nicht absolute, moralische Begriffe, sondern situationsbestimmte Vorgänge.“ (36)
Das heißt, dass die Erklärung des Angriffskrieges zum Verbrechen ganz anders ist als die Reaktion auf einen Angriffsakt, bei dem zum Beispiel der erste Schuss abgegeben wurde. Im ersten Fall bleiben die Urheber, Verursacher oder Schuldige des Krieges ungeklärt, während im zweiten Fall bleibt die Hoffnung, den bevorstehenden Aggressionskrieg zu hegen. „Die Beschränkung auf den Angriffsakt, betont Schmitt, ist also zweckmäßig und sogar notwendig, gerade um die schwierige Frage nach der justa causa, d. h. nach dem in der Sache gerechten Krieg und der Schuld am Krieg zu vermeiden. … Das Äußerliche und Formalistische dieser Methode wird im Kauf genommen, um den Angriffsakt und die Gewaltanwendung so schnell wie möglich zu stoppen und den Ausbruch des Krieges selbst zu vermeiden.“ (37)
Unterschied zwischen einer juristischen und moralischen Denkweise
Die juristische Besonderheit des Angriffsaktes gegenüber dem Angriffskrieg, so Schmitt, wurde damals den Juristen und Diplomaten bewusst, „aber der öffentlichen Meinung breiter Schichten ebenso unbekannt und fremd“. Deshalb scheint es für Schmitt notwendig, an den praktischen Sinn dieser Unterscheidung von Angriff und Angriffskrieg zu erinnern: Hier tritt „gleichzeitig der tiefgreifende Unterschied zwischen einer rein juristischen und einer rein moralischen Denkweise zutage“. Nach Schmitt war einer der ersten, der die friedliche Regelung aller solchen völkerrechtlichen Streitigkeiten vorgeschlagen hat, Lord Robert Cecil, seit 1923 Präsident der Genfer Liga. Er war der Urheber eines wichtigen Entwurfs für einen Garantievertrag (1923), wo „die Notwendigkeit einer schnellen und einfachen Bestimmung des Angreifers“ dargelegt wurde. Schmitt schreibt dazu: „Der Angreifer soll durch den Rat der Genfer Liga mit einer Mehrheit von Dreiviertel der Stimmen festgestellt werden. Der abzuschließende Garantievertrag soll denjenigen als Angreifer bezeichnen, der absichtlich und mit Vorbehalt das Gebiet eines anderen verletzt. Auch wurde betont, dass es sich nicht darum handelt, auf wessen Seite das gute Recht ist, sondern nur darum, wer die erste feindliche Handlung begangen hat.“ (38)
Schmitt kommentiert: „Ein Jurist wird es leicht verstehen, dass auf solche Weise die präzise Definition des Angriffs von der Frage des in der Sache gerechten Krieges gänzlich und absichtlich getrennt wird.“ Das Verbrechen des ersten Schusses ist doch etwas anderes als das Verbrechen des Krieges. Aber auch der Angriffskrieg, der durch amerikanisches outlawry abgeschafft sein sollte, ist, nach Schmitt, etwas anderes als ein ungerechter Krieg. Er schreibt. „Wenn der Krieg als solcher rechtlich verboten werden soll, so ist damit selbstverständlich nur der ungerechte Krieg gemeint. Das Verbot des Angriffskrieges ist nicht einfach ein Fall des Verbotes des ungerechten Krieges. Denn es gibt auch gerechte Angriffskriege, wie die traditionelle Lehre vom gerechten Krieg immer betont hat. Insbesondere bleibt das Recht auf Selbstverteidigung und damit eine gewisse Entscheidung über die möglichen Mittel der Selbstverteidigung immer vorbehalten, sodass sogar der alte Satz, dass der Angriff die beste Verteidigung ist, praktisch werden kann. Die Frage der Gerechtigkeit eines Krieges lässt sich in der Sache von der Frage nach der justa causa, d. h. den Kriegsursachen und dem gesamten außenpolitischen Zusammenhang, nicht ablösen.“ (39)
Nach Schmitt ist das Genfer Protokoll vom Oktober 1924 daran gescheitert, „dass es die sachlichen Zusammenhänge der Frage des gerechten Krieges nicht beantwortete und nicht einmal beantworten wollte.“ Er schreibt: „Der Eindruck, den dieser Misserfolg auf die europäischen Völker und Regierungen machte, namentlich den Eindruck der englischen Regierungserklärung vom 12. März 1925, war sehr groß. Er hat es verhindert, dass sich in Europa die rechtliche Überzeugung von der Entstehung eines neuen internationalen Verbrechens festigen könnte. Die amerikanischen Beförderer einer outlawry of war haben sich aber durch den Misserfolg nicht beirren lassen und 1928 in dem Kellogg-Pakt eine förmliche Comdemnation, eine Verurteilung des Krieges als Mittel der nationalen Politik erreicht.“ (40)
Londoner Statut vom August 1945
Zur Bedeutung des Kellog-Pakts schreibt Schmitt: „Alle Versuche, die Verurteilung des Krieges, die Kellog-Pakt aussprach, mit der Genfer Liga und dem Genfer Protokoll in Einklang zu bringen, blieben erfolglos. Gleichzeitig aber schaltete sich vom Osten her die Sowjetunion in die Bestimmung des Sinnwandels ein. Auf der Abrüstungskonferenz und in den Londoner Konventionen vom Juli 1933 hatte sie bereits die Führung in der Frage der Definition von Angriff und Angreifer. So gingen die Kräfte, die den Kriegsbegriff des europäischen Völkerrechts aus den Angeln hoben, von Westen und Osten her über die an sich selber unsicher gewordenen europäischen Staaten hinweg. Osten und Westen trafen sich schließlich im Londoner Statut vom August 1945, um dort für einen Augenblick zu verschmelzen. Die Kriminalisierung nahm jetzt ihren Lauf.“ (41)
Das Londoner Statut legte bekanntlich die Rechtsgrundlagen und Prozessordnung der Internationalen und der amerikanischen Militärgerichtshöfe fest, die für die Nürnberger Prozesse ins Leben gerufen wurden. Die wichtigsten Ansätze des Sinnwandels des Krieges, die sich nach dem Ersten Weltkrieg herausgebildet hatten, waren jedoch auch in Nürnberg präsent: die Personifizierung von Kriegsverbrechen, die fehlende Berücksichtigung von Kollektivschuld, das Fehlen einer klaren Definition von Aggressor und Angriffskrieg sowie das Recht der Siegermächte zu entscheiden, was im Krieg gerecht oder ungerecht ist.
Prinzip der unteilbaren Sicherheit
Ebenso wichtig sind die jüngsten Versuche Russlands, sich des Bewusstseins der Kollektivschuld bzw. der gemeinsamen politischen Verantwortung, das dem Prinzip der unteilbaren Sicherheit innewohnt, wieder bewusst zu werden. Dieses Bewusstsein war während des Kalten Krieges noch vorhanden und hatte zur Unterschreibung von wichtigen Friedensverträgen geführt, von denen jedoch nicht alle das Ende des Kalten Krieges überdauerten.
Es ist nicht zufällig, dass Moskau seit Jahren für die Anerkennung des Prinzips der unteilbaren Sicherheit plädiert, unter anderem bei der Vorbereitung und Unterschreibung eines Europäischer Sicherheitsvertrages. Die Idee, die hinter diesem Prinzip steht, ist einfach und wünschenswert: Die Sicherheit einigen Staaten sollte nicht auf Kosten der Sicherheit der anderen Staaten basieren. Im Grunde ist das die alte Frage der Gerechtigkeit des Krieges, des justa causa, wenn die Aggression und die Verteidigung auf einer Waage wiegen und die Verantwortung alle Kriegsteilnehmer tragen sollten. Dieses Prinzip könnte auch den Sinn des justus hostis wesentlich stärken, weil es die gleichberechtigte Teilnahme aller Staaten bei der Bildung der Sicherheitsordnung voraussieht. Anders zu sagen: Alle Staaten, wenn es um unteilbarer Sicherheit geht, gleichberechtigt sein sollten, ohne Teilung auf „gerechte“ oder „ungerechte“ Feinde.
Bis Ende des 19. Jahrhunderts in Europa wurde die Frage des justa causa durch völkerrechtliche Gleichheit der staatlichen Souveräne erlöst. Die europäische Sicherheit war also a priori unteilbar. Doch in der Zwischenkriegszeit (1918-1939) suchten die Weltmächte, auch die Genfer Liga, durch die Verträge und Konferenzen den Frieden zu schaffen, ohne aber eine geeignete Formel bei der Lösung der Frage des justa causa anzubieten. Die europäischen Staaten versuchten, ihre Sicherheit allein zu suchen. Deutschland und Polen unterschrieben den Nichtangriffspakt 1934, der auch als Piłsudski-Hitler-Pakt bekannt ist. Im Jahr 1938 unterzeichneten Deutschland, England, Frankreich und Italien das Münchener Abkommen, das zur Zerschlagung der Tschechoslowakei führte und der eigene Name als Höhepunkt der britisch-französischen Appeasement-Politik bekam. Im Jahr 1939 wurde der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt unterzeichnet, bekannt als Molotow-Ribbentrop-Pakt. Usw. Das alte Prinzip der ungeteilten Sicherheit des Jus Publicum Europaeum verliert also seine friedensstiftende Kraft.
Nur nach dem Zweiten Weltkrieg ist es gelungen, die Frage des justa causa in der UNO-Vetomacht einzupacken. Die Epoche des Kalten Krieges war von verschiedenen Konflikten und regionalen Kriegen überflutet, aber sie alle mündeten sich in der globalen Konfrontation zwischen Amerika und Sowjetunion, wo die Aggression von einer Seite die Verteidigung von der anderen Seite voraussah, und umgekehrt. Es wurde also die unteilbare Sicherheit durch atomar-militärisches Gleichgewicht zwischen den USA und Sowjetunion reguliert: Jede Supermacht hatte ihre eigene Einflusssphäre, die nicht immer fest begrenzt wurde wie in Europa, aber doch immer die USA und UdSSR gezwungen hatte, bei den Konflikten aufeinander Rücksicht zu nehmen. Die Ignorierung des Prinzips der unteilbaren Sicherheit unter der Bedienung des atomaren Gleichgewichtes ist eigentlich ein direkter Weg zum schrecklichsten Vernichtungskrieg, was während der Karibikkrise beinahe passiert wäre.
Der Grundsatz der unteilbaren Sicherheit ist also zur Grundlage des Systems der bipolaren Welt geworden: Niemand wollte die Aussicht auf eine unkontrollierte Eskalation riskieren. Das atomare Gleichgewicht der bipolaren Welt machte die Weltsicherheit automatisch unteilbar. Doch nach 1989/90 verliert wieder dieses Prinzip sein Fundament, und zwar sein planetarisches Gleichgewicht zwischen zwei Supermächten. Die NATO nahm in Anspruch, europäische und weltweite Sicherheit allein zu bestimmen. Dies entsprach der Logik der amerikanischen Alleinherrschaft, die zur Aufhebung der während des Kalten Krieges unterzeichneten Friedensverträge führte.
Selbstverständlich sieht Russland seine Ausschaltung aus dem System der Sicherheit und insbesondere die NATO-Erweiterung nach Ost als direkte Bedrohung des eigenen nationalen Interesses. Der Eintritt Ukraine und Georgien in die NATO hat Russland schon lange als Rote Linie deklariert. In dieser Situation wäre die Anerkennung des Prinzips der unteilbaren Sicherheit ein Schritt zur justa causa, also zu mehr Gerechtigkeit in der Frage der gemeinsamen, planetarischen Sicherheit. Es könnte eine effektive Formel für die Hegung des Krieges sein, hätte ein kollektiver Westen keinen Absichten, unbedingt eine einheitliche unipolare Welt aufzubauen. Es ist deshalb nicht wunderlich, dass alle russische Initiative, dieses Prinzip fortzuführen, sich auf der Mauer der Stille stoßt, obwohl selbst die Europäische Sicherheitscharta 1999 beabsichtigte, „weitere Anstrengungen zu unternehmen, um miteinander gemeinsame Sicherheitsanliegen der Teilnehmerstaaten zu behandeln und das OSZE-Konzept der umfassenden und unteilbaren Sicherheit, soweit es die politisch-militärische Dimension betrifft, weiter voranzubringen.“ (42) Im Dezember 2009 gegründete Euro-Atlantic Security Initiative (EASI) geht noch weiter: Sie stellt fest, „dass Europa nicht sicher sein kann, wenn Russland von zentralen Themen der europäischen Sicherheitsarchitektur ausgeschlossen bleibt“. (43)
Das Ende des Vertrauens
Aber nach der NATO-Osterweiterung verlieren diese und viele andere politische Versprechungen nach ihrer Glaubwürdigkeit: Die Inflation der Worte westlicher Politiker ist erstaunlich, und der gesunde Menschenverstand wurde völlig außer Kraft gesetzt. Die russische Regierung sollte zum Beispiel Amerikaner mit geschlossenen Augen glauben, dass die Stationierung der NATO-Abwehrsysteme in Polen und Rumänien, die Militarisierung der Länder auf der Grenze mit Russland und insbesondere die Waffenlieferung nach Georgien und Ukraine nicht gegen, sondern zum Wohl der Russischen Föderation und ihrer Sicherheit dienen. Eine gesunde Skepsis und fehlender Glauben Russen an solche „friedlichen“ Pläne der NATO sind als falsche Besorgnisse verurteilt, mit einer klaren Absage, im Dezember 2021 jegliche Vereinbarungen über die europäische Sicherheit und Neutralität Georgien und Ukraine schriftlich zu bestätigen.
Freund-Feind-Schema als das schwerste Erbe der europäischen Zivilisation
Sofort nach der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus wurden vom Papst die Verteilungslinien in der Mitte des Atlantischen Ozeans zwischen Spanier und Portugiesen verlagert, um den christlichen Fürsten und Völkern das Recht zu geben, aufgrund seines Missionsauftrags nicht-christliche Gebiete zu missionieren und im weiteren Verlauf der Mission okkupieren. Später, mit dem Aufstieg der neuen Seemächte England und Frankreich, entwickelten sich die vom Papst verlagerten Verteilungslinien in Freundschaftslinien, wie sie von Schmitt genannt wurden, die zwischen Europa und der Neuen Welt verlegt wurden.
Nach Schmitt, die typische Besonderheit dieser Freundschaftslinien bestand darin, dass sie einen Kampfraum zwischen den europäischen Vertragspartnern ausgrenzten: Außerhalb der Freundschaftslinie endete Europa und begann die Neue Welt. Das Einzige, worüber die europäischen Partner solcher Beziehungen praktisch einig waren, war die Freiheit der neuen Räume, die jenseits der Linie begannen. Die Freiheit bestand darin, dass die Linie einen Bereich freier und rücksichtsloser Gewaltanwendung und hemmungsloser Landnahme ausgrenzte. Daraus musste die allgemeine Vorstellung entstehen, dass alles, was „jenseits der Linie“ geschieht, überhaupt außerhalb der rechtlichen, moralischen und politischen Bewertungen bleibt, die diesseits der Linie anerkannt waren. (44)
Zwei Seiten des absoluten Humanismus
Die Teilung der Welt auf „Freund“ und „Feind“ ist zum schwersten Erbe der westlichen Zivilisation geworden, die sich in der Ausgrenzung Christen von Nicht-Christlichen, Europa von Neuen Welt, Zivilisation von Barbarei oder allgemein Guten von Bösen realisiert. Sie findet ihren Ausdruck in der Philosophie der absoluten Humanität des 18. Jahrhunderts, die Schmitt als Zwei-Seiten-Aspekt des Humanismus vorstellt. „Denn die Idee der Humanität hat zwei Seiten“, betont er, und erklärt: „Erst mit dem Menschen im Sinne der absoluten Humanität erscheint nämlich, als die andere Seite desselben Begriffs, sein spezifischer neuer Feind, der Unmensch. Der Absetzung des Unmenschen vom Menschen folgte dann in der Geschichte der Menschen im 19. Jahrhundert eine noch tiefere Aufspaltung, die des Übermenschen vom Untermenschen. Wie der Mensch den Unmenschen, so bringt der Übermensch mit dialektischer Notwendigkeit gleich den Untermenschen als einen feindlichen Zwilling mit sich in der Geschichte der Menschheit.“ (45)
„Westliche Hemisphäre“ als globale Freundschaftslinie
Die dritte und die letzte globale Freundschaftslinie, die in der Gegenwart zieht, heißt „Westliche Hemisphäre“. Die öffentliche Geschichte dieser neuen Linie beginnt erst mit der Proklamation der Monroe-Doktrin im Dezember des Jahres 1823. Nach Schmitt, Monroe-Doktrin und westliche Hemisphäre gehören seitdem zusammen. Die Vereinigten Staaten von Amerika konstruierten sich völkerrechtlich als „eine Zone der Selbstverteidigung“, um „das politische System der westlichen Hemisphäre, als ein Regime der Freiheit, dem andersgearteten politischen System der damaligen absoluten Monarchien Europas“ entgegenzustellen. Nicht gegen Asien oder Afrika, sondern gegen Europa richtet sich zuerst diese Abgrenzungslinie: Der gesamte amerikanische Kontinent wird zum Bereich der „Raumhoheit der Vereinigten Staaten von Amerika“ – als „Protest gegen weitere europäische Landnahmen auf amerikanischen Boden“. (46)
Am Anfang an war also diese Linie in spezifischer Weise eine Isolierungslinie, „nämlich eine Selbstisolierungslinie“. Doch später, unter der Bewusstwerdung eines globalen Erdbildes, sollte Amerika ihren Missionsanspruch auf den ganzen Planeten erheben und den alten Charakter der westlichen Hemisphäre als eine Isolationslinie überwinden. Schmitt beschreibt diese Wende als ein ungelöstes Dilemma zwischen Isolation und Intervention, das sich von 1890 bis 1939 in einer Mischung von Anwesenheit und Abwesenheit der amerikanischen Politik in Europa äußerte. Diese Politik fand ihren symbolischen Ausdruck im Schicksal des Präsidenten W. Wilson und in seinem Lebenswerk „Völkerbund“, der er als „Ideal einer universalen, erdumfassenden Liga des Weltfriedens“ gedacht hatte. Schmitt bemerkt: „Schon während des Ersten Weltkrieges 1914-1918 hat sich die Politik des Präsidenten W. Wilson unvermittelt zwischen den beiden Extremen von Selbst-Isolierung und Welt-Intervention bewegt, bis sie mit ungeheurer Wucht auf die Seite des Interventionismus fiel.“ Zum Beginn des Zweiten Weltkrieges übernimmt die westliche Hemisphäre endgültig den globalen Anspruch auf Welt-Interventionismus. (47)
Suche nach neuem Nomos der Erde
Für Schmitt ist die Entwicklung der westlichen Hemisphäre von Selbst-Isolierung zur Welt-Intervention nicht anderes, als der Ausdruck des Problems des neuen Nomos der Erde, das in der sogenannten imperialistischen Ära, also seit dem Ende des 19. Jahrhunderts und dem Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden hat. Damals wurde die Welt von wachsendem globalem Bewusstsein geprägt, „entsprechend den wachsenden räumlichen und politischen Dimensionen eines solchen globalen Liniendenkens und moderner industriell-wirtschaftlicher Großraumbildung.“ In dieser Ära, so Schmitt, „befand sich die westliche Hemisphäre in einer ungeheuerlichen Alternative“, und zwar „zwischen einer in immer neuen Ansätzen sich bildenden Pluralität von Großräumen und einem globalen Weltanspruch, zwischen Monismus und Pluralismus, Monopol und Polypol.“ Wie es Schmitt bemerkt, ist die Dialektik dieser Widersprüche allen Historikern, Juristen und Wissenschaftlern aufgefallen, die die Entwicklung der westlichen Hemisphäre seit 1890 beobachtet hatten. Um zu unterstreichen, wie groß diese Dialektik für die Entwicklung der Welt ist, schreibt Schmitt: „Die Widersprüche stammen aus der ungelösten Problematik einer Raumentwicklung, die den Zwang enthält, entweder den Überhang zu begrenzbaren, andere Großräume neben sich anerkennende Großräume zu finden oder aber den Krieg bisherigen Völkerrechts in einen globalen Weltbürgerkrieg zu verwandeln.“ (48)
Das Problem des neuen Nomos der Erde ist also hier von Schmitt als Konflikt zwischen zwei möglichen Entwicklungen der westlichen Hemisphäre dargestellt: als Realisierung eines globalen Weltanspruches Amerikas mit daraus folgendem Weltbürgerkrieg oder doch die Anerkennung neben sich der anderen Großräume. Es handelt sich eigentlich um zwei Logiken der Entwicklung der modernen Weltordnung: um eine unipolare oder multipolare Welt, um ein hegemoniales Gleichgewicht unter der Herrschaft der einzigen Supermacht Amerikas oder um ein Gleichgewicht von mehreren Großräumen. Die Schmitts skeptische Frage, ob der Planet reif ist für das globale Monopol einer einzigen Macht, bleibt dabei die wichtigste.
Von Selbstisolation zur Welt-Intervention
Die amerikanischen Doktrinen und Erklärungen zeigen deutlich, dass die Vereinigten Staaten von Amerika die erste Variante ausgewählt hatten. Dadurch transformierte die westliche Hemisphäre – diese neue globale Linie – von Selbst-Isolierung zur globalen Welt-Intervention. Doch diese Entwicklung trägt mit sich ein Problem, das in einer globalen Welt von immer wachsenden anderen Großräumen zu schwer auszulösen ist. Schmitt schreibt: „Eine globale Linie, die die Welt nach gut und schlecht in zwei Hälften einteilt, stellt eine Plus- und Minus-Linie moralischer Bewertung dar. Sie enthält eine fortwährende Absage an den anderen Teil des Planeten, solange sie sich nicht mit völliger Beziehungslosigkeit verbindet.“ (49)
Das ist genau das Problem, mit dem Amerika konfrontiert werden sollte, als sie ihren Anspruch, die neue Welt zu sein, auf den ganzen Planeten erstreckt hatte: Nicht alle wachsenden Großmächte waren bereit, sich mit amerikanischer Macht mit „völliger Beziehungslosigkeit“ zu verbinden. Das ist zur globalen Herausforderung Amerikas geworden, die von ihr die Entwicklung von effektiven Mechanismen und Methoden der Welt-Intervention forderte, um die Welt im Namen der Einheit zu universalisierten bzw. den ganzen Planeten frei, demokratisch und friedlich zu machen.
Im Kalten Krieg sind die globalen Widersprüche, die aus der ungelösten Problematik einer Raumentwicklung stammten, erstmals durch die Teilung der Welt nach zwei anerkannten Großräumen – die USA und die UdSSR – in der Zukunft verschoben. Nach 1989/90 scheint Kommunismus besiegt zu werden, aber die globalen Widersprüche sind geblieben und stellen Amerika die alte Problematik der Raumentwicklung vor: neben sich die anderen wachsenden Großräume anzuerkennen oder doch ihren Anspruch, die neue Welt zu sein, endlich zu verwirklichen.
Der unglaublich schnelle Zerfall des kommunistischen Blocks gab dem Westen die Illusion, sein normatives Projekt problemlos zu realisieren. Doch die wachsenden Großräume, wie es auch früher war, zeigen keine Bereitschaft, sich am westlichen Projekt freiwillig zu beteiligen. Der Planet ist noch nicht reif für ein globales irdisches Universum und wird noch lange nicht reif. Wie es Schmitt vorausgesagt hat, verwandelt sich dann „den Krieg des bisherigen Völkerrechts in einen globalen Weltbürgerkrieg“. Mit dem Begriff „globaler Weltbürgerkrieg“ könnten heute die zahlreichen Bürgerkriege erklärt werden, die seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion in allen – ohne Ausnahme! – Ländern ausgebrochen sind, die vom Westen zur Demokratisierung berufen sind.
Suche nach neuem Feind
Die westliche Hemisphäre steht also wieder von der „ungeheuerlichen Alternative“ und sucht für ihre globale Linie die neuen Feinde, um die Welt „nach gut und schlecht in zwei Hälften“ einzuteilen. Statt pro-kommunistischen Regimen kommen nun die autoritären und anti-demokratischen Regime. Das globale Liniendenken realisiert sich in der Ausgrenzung der west-liberalen Demokratien von der anderen Welt unter dem Motto: „Konsolidierte Demokratien fuhren keine Kriege gegeneinander.“ Die Kampfzone, wo die Gewaltanwendung sich nach dem Recht des Stärkeren rechtfertigen und legitimieren lässt, liegt wieder jenseits dieser Freundschaftslinie, also außerhalb des Westens. Dadurch trägt in sich die Demokratieförderung die Rechtfertigung der Kampfansage an alle, die mit dem normativen Projekt des Westens nicht einverstanden sind und den amerikanischen Weltherrschaftsanspruch nicht akzeptieren.
Hier kommt wieder das Dilemma zwischen Isolation und Interventionismus zum Tragen, das sich im sogenannten Trumpismus zeigt. Die von Donald Trump benutzte Motto „America First!“ entstand bekanntlich in der Epoche der Selbstisolierung und betont amerikanischen Nationalismus und Anti-Interventionismus. Nach Schmitt kann sich dieses Dilemma „mit jedem weiteren Schritt der geschichtlichen Entwicklung“ nur steigern. Das heißt, dass die alte amerikanische Dialektik von Isolation und Intervention noch keine Endstation erreicht hat: Sie wird voraussichtlich sogar zur Kernfrage der Innen- und Außenpolitik Amerikas in der bevorstehenden Epoche der Suche nach neuem Nomos der Erde.
Im 20. Jahrhundert hat sich der Zwei-Seiten-Aspekt des europäischen Humanismus im Faschismus und Nationalsozialismus verlagert. Aber die Praxis der Aufspaltung der Welt auf „Freund“ und „Feind“ scheint im Westen auch im 21. Jahrhundert sehr lebendig zu bleiben. Sie realisiert sich nicht nur in der Ausgrenzung Christen von Nicht-Christlichen, Europa von Neuer Welt, Zivilisation von Barbarei, Demokratien von Nicht-Demokratien oder allgemein Guten von Bösen: Das Liniendenken frisst auch die westliche Zivilisation von innen auf. Ein reines Beispiel ist die Spaltung der deutschen Gesellschaft unter der Berufung der Impfpflicht oder des Kampfes gegen Rechtsextremismus.
Die Rassentheorie gehört nicht zu den Themen, die Schmitt intensiv untersuchte. Aber eine klassische Definition des Rassismus, die zum Beispiel die Internet-Plattform „Stiftung gegen Rassismus“ mit Hilfe der Argumentation von englischer Soziologe Stuart Hall (1932-2014) präsentiert, ist mit der Schmitts Problemstellung des Liniendenkens fast identisch. Beim Rassismus, so Stuart Hall, ,,handelt es sich um Markierung von Unterschieden, um sich gegenüber anderen abzugrenzen, soziale, politische und wirtschaftliche Handlungen zu begründen und für sich einen privilegierten Zugang zu materiellen, ökonomischen, politischen und symbolischen Ressourcen zu sichern. Im Kontext des Kolonialismus ist diese „Rasse“-Konstruktion offensichtlich: Sie musste eine Erklärung dafür gefunden werden, warum die Europäer einem großen Teil der Weltbevölkerung den Status des Menschseins absprachen, und sogar in der Epoche der Aufklärung, wenn alle Menschen als frei und gleich erklärt wurden? Es war zuerst ein biologisches Merkmal, die Hautfarbe, das zur Markierung der Fremdgruppe verwendet wurde. Heute sind soziale, kulturelle und religiöse Unterschiede im Gebrauch. Wenn die Unterschiede als „naturgegeben“ und statisch gedacht werden, nehmen sie leicht den Platz von „Rasse“ ein und funktionieren in derselben Logik. Dabei hat Rassismus immer etwas mit Macht zu tun: Sie muss bestimmte Menschen abwerten und benachteiligen, um davon die Privilegien zu erhalten. „Die Rassentheorie ist als ideologisches Konzept entstanden, um Verletzungen der Menschenrechte und Herrschaftsansprüche zu rechtfertigen“, so ist der Verdikt von Stuart Hall. (50)
Es scheint, dass das westliche Liniendenken nicht nur ein Phänomen des Politischen ist, wie es Schmitt in seiner „Freund-Feind“-Theorie vertritt, sondern auch eine tiefgreifende Manifestation der westlichen Zivilisation.
Es scheint so, dass das westliche Liniendenken nicht nur ein Phänomen des Politischen ist, wie es Schmitt in seiner Freund-Feind-Theorie vorgestellt hat, sondern auch eine tiefe Ausprägung der westlichen Zivilisation. Das Ziehen von Freundschaftslinien ist historisch bedingt und hat einen größeren Umfang als die Unterscheidung von Menschen nach ihrer politischen Zugehörigkeit. So ist das westliche Liniendenken zum schwersten Erbe der westlichen Zivilisation geworden, das den Westen daran hindert, die Existenz anderer wachsender Zivilisationen neben ihm anzuerkennen.
1. Carl Schmitt, Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum, Duncker&Humbolt GmbH, Berlin, 5. Auflage 2011,S. 188-190.
2. Ebenda, S. 201.
3. Gabriele Krone-Schmalz, Eiszeit. Wie Russland dämonisiert wird und warum das so gefährlich ist, Verlag C.H. Beck, München 2017, S. 71.
4. Schmitt, Carl: Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publikum Europaeum, S. 114.
5. Ebenda, S. 234, 245.
6. Ebenda, S. 201, 210-211.
7. Gabriele Krone-Schmalz, Eiszeit. Wie Russland dämonisiert wird und warum das so gefährlich ist, Verlag C.H. Beck, München 2017, S. 71.
8. Carl Schmitt, Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum, Duncker&Humbolt GmbH, Berlin, 5. Auflage 2011, S. 241, 243.
9. Ebenda, S. 236-237.
10. Ebenda, S. 237, 239.
11. Ebenda, S. 244.
12. Ebenda, S. 214.
13. Ebenda, S. 158-159.
14. Ebenda, S. 158-159.
15. Ebenda, S. 159, 219.
16. Ebenda, S. 244, 253-254.
17. Ebenda, S. 299.
18. https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:UNSC_veto.svg
19. Carl Schmitt, Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum, Duncker&Humbolt GmbH, Berlin, 5. Auflage 2011, S. 91-95, 285.
20. Ebenda, S. 92-93.
21. Ebenda, S. 92-93.
22. Ebenda, S. 93.
23. Ebenda, S. 94-95.
24. Ebenda, S. 294.
25. Ebenda, S. 298.
26. Ebenda, S. 299.
27. Ebenda, S. 161, 225.
28. Ebenda, S. 281-282.
29. Ebenda, S. 255, 272.
30. Ebenda, S. 283-284.
31. Ebenda, S. 257-258.
32. https://de.wikipedia.org/wiki/Truman-Doktrin#cite_ref-1
33. https://unric.org/de/charta/
34. Carl Schmitt, Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum, Duncker&Humbolt GmbH, Berlin, 5. Auflage 2011, S. 245-246, 254.
35. Ebenda, S. 246-247.
36. Ebenda, S. 248-249.
37. Ebenda, S. 247-249, 251.
38. Ebenda, S. 252.
39. Ebenda, S. 250-251.
40. Ebenda, S. 255.
41. Ebenda, S. 255, 281-283.
42. https://www.osce.org/files/f/documents/b/f/125809.pdf
43. https://ifsh.de/file-CORE/documents/jahrbuch/10/Salzman-dt.pdf
44. Carl Schmitt, Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum, Duncker&Humbolt GmbH, Berlin, 5. Auflage 2011, S. 62.
45. Ebenda, S. 72-73.
46. Ebenda, 226, 256, 261.
47. Ebenda, S. 227, 271-273.
48. Ebenda, S. 271.
49. Ebenda, S. 270.
50. Shop – Materialien 20/21 / Stiftung gegen Rassismus (stiftung-gegen-rassismus.de), beim Suchbegriff „Was ist Rassismus?“