Geostrategie gegenüber Frankreich und Deutschland

Eine amerikanische Geostrategie gegenüber Frankreich und Deutschland besteht darin, deren Ambitionen, die Zukunft Europas selbst zu gestalten, zu bremsen.

Die wichtigsten Architekten Europas sind für Brzezinski die politischen Eliten Frankreichs und Deutschlands, die sich in ihrer großen Mehrheit für das Ziel engagieren, „ein Europa zu gestalten und vertraglich festzulegen, das diesen Namen wirklich verdient“. Brzezinski ist sicher: „Aus ihrer Zusammenarbeit könnte ein seiner Vergangenheit und seiner Möglichkeiten würdiges Europa entstehen.“ (1)

Die beiden Staaten haben ihre eigenen Vorstellungen und Bauweisen für die Gestaltung Europas, aber, meint Brzezinski, „weder Frankreich noch Deutschland ist stark genug, um Europa nach seinen Vorstellungen zu bauen oder mit Russland die strittigen Probleme zu lösen, die eine Festlegung der geographischen Reichweite Europas zwangsläufig aufwirft“. Die Möglichkeit einer eigenständigen Entwicklung Europas bereitet Brzezinski jedoch die größten Sorgen. Er schreibt: „Diese Sachlage sollte die Vereinigten Staaten zu einem entschiedenen Eingreifen veranlassen. Sie erzwingt gerade ein Engagement Amerikas für Europas Einheit, denn der Einigungsprozess könnte sonst ins Stocken geraten und sich allmählich sogar wieder rückläufig entwickeln.“ Es erfordert, schließt Brzezinski, „einen behutsamen Umgang mit den beiden wichtigsten Architekten Europas“, abhängig davon, welche Art von Europa die Vereinigten Staaten brauchen. Damit hat er das vielleicht wichtigste Dilemma in den Beziehungen zwischen Amerika und den politischen Eliten der beiden führenden europäischen Länder aufgezeigt: ob man sie als gleichberechtigte Partner oder doch als Juniorpartner behandeln sollte. (2)

„Frankreich erhofft sich durch Europa seine Wiedergeburt, Deutschland seine Erlösung“, schreibt Brzezinski in einem Versuch, die Ziele der eigenständigen deutschen und französischen Europaprojekte zu erklären und zu bestimmen. Die französische Vision beschreibt er wie folgt: „Für Frankreich ist Europa das Mittel, seine einstige Größe wiederzuerlangen. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg machten sich ernst zu nehmende französische Politikwissenschaftler Sorgen über den fortschreitenden Verfall der zentralen Rolle Europas in der Weltpolitik. In den Jahrzehnten des Kalten Krieges schlug diese Sorge in Groll über die angelsächsische Dominanz über den Westen um, ganz zu schweigen von der Verachtung für die damit einhergehende Amerikanisierung der westlichen Kultur. Die Schaffung eines authentischen Europas – mit den Worten Charles de Gaulles vom Atlantik bis zum Ural – sollte diesen beklagenswerten Zustand beheben. Und da in einem solchen Europa Paris die Führung übernehmen müsste, würde Frankreich zugleich jene grandeur zurückgewinnen, die die Franzosen immer noch für das besondere Los ihrer Nation halten.“ (3)

Dem anderen potenziellen Architekten Europas, Deutschland, schreibt Brzezinski eine ganz andere Motivation zu, die der bitteren Erfahrung des Nationalsozialismus Rechnung tragen muss: „Deutschland sieht im Engagement für Europa die Gründe für nationale Erlösung, während es sicherheitspolitisch auf eine enge Bindung an Amerika nicht verzichten kann. Folglich ist ein Europa, das seine Unabhängigkeit von Amerika stärker hervorkehrt, keine brauchbare Alternative. Für Deutschland bedeutet Erlösung + Sicherheit = Europa + Amerika. Diese Formel umreißt seine Haltung und Politik, macht es zugleich zu Europas Musterknaben und zum stärkeren Anhänger Amerikas in Europa. Deutschland versteht sein glühendes Eintreten für Europa als historische Reinigung, als Wiederherstellung seiner moralischen und politischen Reputation. Indem es sich mit Europa entsühnt, stellt Deutschland seine Größe wieder her, während es zugleich eine Mission übernimmt, die nicht automatisch europäische Ressentiments und Ängste gegen die Deutschen mobilisiert. Verfolgen die Deutschen nämlich ihr eigenes nationales Interesse, so laufen sie Gefahr, die anderen Europäer vor den Kopf zu stoßen; fördern sie jedoch das gemeinsame Interesse Europas, trägt ihnen das die Unterstützung und den Respekt der anderen Europäer ein.“ (4)

Die Verwendung von arithmetischen Formeln im geopolitischen Diskurs ermöglicht eine bessere Darstellung von Brzezinskis Geostrategie in Europa. Die französische Renaissance in Europa würde dann wie folgt aussehen: grandeur + europäische Sicherheit = Europa – Amerika.

Aber die französischen Ambitionen sind die geringsten von Brzezinskis Befürchtungen. Er schreibt: „Nach französischer Vorstellung kann das zentrale Ziel eines geeinten und unabhängigen Europas dadurch erreicht werden, dass die Vereinigung Europas unter französischer Führung mit dem allmählichen Abbau der amerikanischen Vorrangstellung auf dem Kontinent einhergeht. Wenn jedoch Frankreich Europas Zukunft gestalten soll, muss es Deutschland mit einbeziehen, zugleich aber an die Kette legen, während es Washington seine politische Führungsrolle in europäischen Angelegenheiten Schritt für Schritt abzunehmen sucht. Daraus ergeben sich für Frankreich zwei große Dilemmas: wie lässt sich ein amerikanisches Sicherheitsengagement für Europa bewahren – das Frankreich weiterhin für unverzichtbar hält – und dabei die amerikanische Präsenz ständig reduzieren (europäische Sicherheit = grandeur – Amerika, Formel d. Autors); wie lässt sich die deutsch-französische Partnerschaft als ökonomisch-politischer Motor der europäischen Einigung erhalten und dabei eine deutsche Führung in Europa verhindern (politische Einheit Europas = deutsch-französische Partnerschaft – grandeur – deutsche Führung, Formel d. Autors)? Mit Ausnahme Deutschlands ist kein anderer europäischer Staat von einem solchen Ehrgeiz beseelt oder von einem solchen Sendungsbewusstsein getrieben. Selbst Deutschland ließe sich vielleicht dazu verleiten, eine französische Führungsrolle in einem vereinten, aber (von Amerika) unabhängigen Europa zu akzeptieren, doch nur, wenn es in Frankreich tatsächlich eine Weltmacht sähe, die Europa die Sicherheit verschaffen könnte, die es selbst nicht gewährleisten kann, wohl aber die USA (souveränes Europa = europäische Sicherheit – Amerika, Formel d. Autors).“ (5)

Dem französischen grandeur steht also ein eng mit Amerika verbundenes Deutschland im Wege, das die französischen Ambitionen dämpfen soll. Brzezinski schreibt: „Deutschland kennt indessen die wahren Grenzen französischer Macht. Frankreich ist wirtschaftlich viel schwächer als Deutschland und sein Militärapparat (wie der Golfkrieg 1991 gezeigt hat) nicht sehr leistungsfähig. … Frankreich ist nicht mehr und nicht weniger als eine europäische Macht mittleren Kalibers. Für die Schaffung eines gemeinsamen Europas war daher Deutschland bereit, Frankreichs Stolz versöhnlich zu stimmen, in der Frage der Sicherheit Europas war es hingegen nicht bereit, der Führung Frankreichs blindlings zu folgen. Es besteht weiterhin darauf, dass Amerika für Europas Sicherheit unverzichtbar sei.“ (6)

Etwas komplizierter ist die Sache mit der unabhängigen Politik Deutschlands. Wie Brzezinski feststellt, haben sich die tatsächlichen Parameter der europäischen Politik seit der deutschen Wiedervereinigung verändert. Besonders stark wurde das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich betroffen. Brzezinski schreibt: „Das vereinte Deutschland war nun nicht nur mehr der politische Juniorpartner Frankreichs, es wurde automatisch die unbestreitbare erste Macht in Westeuropa und vor allem wegen seiner beträchtlichen Beitragzahlungen zur Unterstützung der wichtigsten internationalen Institutionen – sogar teilweise eine Weltmacht. Die neue Realität bewirkte auf beiden Seiten eine gewisse Ernüchterung, denn Deutschland war jetzt, immer noch als Frankreichs Partner, aber nicht mehr als dessen Protegé, in der Lage und willens, seine Vision eines zukünftigen Europas zu artikulieren und voranzutreiben.“ (7)

In der neuen Situation, wenn die Rolle Deutschlands in europäischen Angelegenheiten gewachsen und die Frankreichs zurückgegangen ist, konzentriert sich Brzezinski auf die deutsch-französische Partnerschaft. Sie muss weiterhin den amerikanischen Interessen in Europa dienen, aber jetzt als Einschränkung für Deutschland, dessen Mission in Europa nicht über die Erlösung hinausgehen darf. Brzezinski schreibt: „Die deutsch-französische Versöhnung war, trotz ihrer Missverständnisse, eine positive Entwicklung für Europa, und ihre Bedeutung kann gar nicht hoch genug bewertet werden. Sie hat sich als eine entscheidende Grundlage für alle im schwierigen Prozess der Einigung bisher erzielten Fortschritte erwiesen. Insofern entsprach sie auch voll und ganz den Interessen der USA und stand im Einklang mit dem langjährigen Engagement der Amerikaner, eine transnationale Zusammenarbeit in Europa voranzubringen. Ein Scheitern der deutsch-französischen Kooperation wäre ein fataler Rückschlag für Europa und ein Desaster für die Position der Vereinigten Staaten in Europa. … Wichtiger noch, es sollte stets daran denken, dass Frankreich ein maßgebender Partner bei der grundlegenden Aufgabe ist, ein demokratisches Deutschland auf Dauer fest in Europa einzubinden. Darin besteht die historische Rolle der deutsch-französischen Freundschaft, und die Osterweiterung der EU und der NATO sollte die Bedeutung dieses Verhältnisses als festen Kern Europas noch vergrößern.“ (8)

Aber mehr als deutsch-französische Kooperation sollten die eigenständigen deutschen Ambitionen durch die deutsch-amerikanischen Beziehungen eingedämmt werden. Laut Brzezinski ist Deutschland die wichtigste geopolitische Figur auf der linken Flanke des eurasischen Schachbretts. Daher liegt bei Deutschland die Hauptverantwortung für die Umsetzung der amerikanischen Politik in Europa. Es ist kein Zufall, dass Brzezinski Deutschland eine besondere Rolle zuweist, wenn es darum geht, die Europäische Union und die NATO nach Osten zu drängen, Frankreich mit seinem Flirt mit Russland einzudämmen, die Demokratie in den ehemaligen Sowjetrepubliken zu fördern und allgemein die Integration dieser Länder und vor allem Russlands in die westliche Zivilisation und den internationalen Handel zu unterstützen.

Dies und nichts anderes sollte die historische Aufgabe Deutschlands sein, meint Brzezinski, entsprechend seiner Hauptformel für Kontinentaleuropa (deutsche Erlösung + amerikanische Sicherheit = Europa + Amerika). Er schreibt: „Mit dem Ende des Kalten Krieges bekam das Verhältnis zu den USA für Deutschland eine neu Bedeutung. In der Vergangenheit hatte es Deutschland vor einer äußeren, aber sehr unmittelbaren Bedrohung geschützt und war die notwendige Voraussetzung für die schließlich eingetretene Wiedervereinigung des Landes gewesen. Nach der Auflösung der Sowjetunion bot die Verbindung zu Amerika dem wiedervereinigten Deutschland den Schirm, unter welchem es offener eine Führungsrolle in Mitteleuropa übernehmen konnte, ohne dadurch gleichzeitig seine Nachbarn zu bedrohen. Die Beziehung zu den USA stellte mehr als ein Zeugnis für gutes Benehmen aus: Sie versicherte den deutschen Nachbarn, dass ein enges Verhältnis zu Deutschland auch ein engeres Verhältnis zu Amerika bedeutete. All das erleichterte es Deutschland, eigenen geopolitischen Prioritäten unumwunden offenzulegen. Deutschland – fest in Europa verankert und harmlos, aber durch die sichtbare militärische Präsenz der Amerikaner sicherer geworden – konnte nun die Integration des jüngst befreiten Mitteleuropas in europäische Strukturen vorantreiben. Es würde nicht mehr das alte Mitteleuropa des deutschen Imperialismus sein, sondern eine friedliebende Gemeinschaft wirtschaftlicher Erneuerung, die durch deutsche Investitionen und Handelsbeziehungen angespornt und von einem Deutschland ermuntert wird, das außerdem als Befürworter der schließlich auch offiziellen Einbindung des neuen Mitteleuropa in EU und NATO auftritt.“ (9)

Die Verfolgung eigener nationaler Interessen Deutschlands ist für Brzezinski eine besondere Sorge. Für ihn wäre es eine echte deutsche Alternative bei der Gestaltung der Zukunft Europas. Brzezinski führt solche Befürchtungen auf alte deutsche Vorstellungen zurück, wonach Deutschland in der Lage sei, die europäische Ordnung im Alleingang durchzusetzen, wie es das in der Vergangenheit schon nicht einmal gewesen war. Im Jahr 1996 hat solche Auffassung zum Ausdruck Wolfgang Schäuble, der Fraktionsvorsitzende CDU im Bundestag und ein möglicher Nachfolger von Kanzler Kohl, gebracht. Deutschland, meinte er, sei nicht länger „das westliche Bollwerk gegen den Osten; wir sind in der Mitte Europas gedruckt“, und betonte, dass „Deutschland während des gesamten Mittelalters … daran beteiligt war, in Europa Ordnung zu schaffen“. Brzezinski erklärt, warum das so gefährlich für amerikanische Politik in Europa ist: „Nach dieser Vorstellung wäre Mitteleuropa nicht allein eine Region, in der Deutschland wirtschaftlich das Übergewicht hat, sondern würde ein Gebiet unverhüllter deutscher politischer Vorherrschaft werden und damit die Basis für eine stärker unilateral ausgerichtete deutsche Politik gegenüber dem Osten und dem Westen. Europa verlöre dann seine Funktion als eurasischer Brückenkopf für amerikanische Macht und als mögliches Sprungbrett für eine Ausdehnung des demokratischen Globalsystems in den eurasischen Kontinent hinein.“ (10)

Im Wesentlichen unterscheidet sich Brzezinskis Geostrategie kaum von dem amerikanischen Programm re-education, das die USA unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs speziell für Deutschland entwickelt haben. Die politische Neuordnung in den Westzonen Deutschlands in der Nachkriegszeit trug der Namen „Vier D“: Denazifizierung, Demilitarisierung, Dezentralisierung und Demokratisierung. Es war noch eine – die fünfte Position „D“, und zwar die „Deindustrialisierung“ Deutschlands, um die neue führende wirtschaftliche Führungsrolle des Landes zu verhindern. Die „Direktive JCS 1067“ vom April 1945 ordnete z. B. an, dass die Besatzungsgruppe außer zugunsten übergeordneter Zwecke keine Schritte unternehmen durften, „die (a) zum wirtschaftlichen Wiederaufbau Deutschlands führen könnten oder (b) geeignet sind, die deutsche Wirtschaft zu erhalten oder zu stärken.“ (11)

Diese Direktive wurde übrigens nicht durchgesetzt: Sie würde den Interessen der USA angesichts der bevorstehenden Konfrontation mit der Sowjetunion zuwiderlaufen. Aber die andere „vier D“ des Programms re-educatin, die, nach Bemerkung von Demokratie-Experten Paul Nolte, „auf ein Umerziehen der Deutschen im westlich-liberalen Sinne“ eingerichtet wurden, bekam ihren freien Lauf. (12)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Geostrategie der USA jeden Versuch Deutschlands und Frankreichs ausschließt, die Zukunft Europas aus eigener Kraft zu gestalten – dies widerspricht der Logik des Aufbaus einer unipolaren Welt unter Führung Amerikas als einziger Supermacht. Brzezinskis Ideal ist ein politisch geeintes Europa, das im geopolitischen Spiel an der linken Flanke Eurasiens als eine einzige Front auftritt. Nur dann können seine Hauptarchitekten, Deutschland und Frankreich, mit einer gleichberechtigten Partnerschaft mit Amerika rechnen. Brzezinski schreibt: „Europa wäre dann kein gehätschelter, aber gleichwohl zweitrangiger Verbündeter mehr, sondern ein gleichwertiger Partner. Und echte Partnerschaft bedeutet, gemeinsam Entscheidungen zu treffen und auch Verantwortung zu tragen. … Es ist dankbar, dass eine geeignete und mächtige Europäische Union irgendwann einmal der politische Nebenbuhler der Vereinigten Staaten werden könnte.“ (13)

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Doch ein vereintes globales Europa, das in seinem geopolitischen Spiel auf dem eurasischen Schachbrett gemeinsam mit Amerika auftritt, liegt noch in weiter Ferne: Die Europäische Union hat noch keine politische Einheit erreicht. Die nationalen Interessen der Mitglieder der europäischen Gemeinschaft erwiesen sich als zu stark, um in kurzer Zeit überwunden zu werden. Deshalb ist es heute leichter zu verstehen, was in der politischen Arena Europas geschieht: Nicht nur die Europäische Union, sondern vor allem Deutschland ist in den letzten Jahren schlecht mit der Verantwortung zurechtgekommen, die ihm übertragen wurde, und zwar einen Vorposten Amerikas im Westen Eurasiens zu schaffen. Zu oft ist Deutschland von der geostrategischen Linie der USA abgewichen. Es hat sich z.B. gemeinsam mit Frankreich und Russland gegen den Irak-Krieg gestellt. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland führte nicht zu einer angeblichen Demokratisierung der russischen Gesellschaft, sondern stärkte im Gegenteil die wirtschaftliche, militärische und politische Souveränität der Russischen Föderation. Bundeskanzler Gerhard Schröder knüpfte enge Kontakte zu Präsident Wladimir Putin und gab grünes Licht für den Bau von Nord Stream. Angela Merkel zeichnete sich auch durch ihren vorsichtigen Pragmatismus aus, als sie dem Bau von Nord Stream 2 zustimmte. Außerdem lehnte sie 2008 auf der NATO-Konferenz in Bukarest die Aufnahme Georgiens und der Ukraine in das Bündnis ab, obwohl die Amerikaner darauf bestanden. Und so weiter.

Dies kann weitgehend die scharfe Wende in der deutschen Politik nach dem Ende der politischen Ära von Angela Merkel erklären, einschließlich der Abkühlung der Beziehungen zu Russland, lange vor der Sonderoperation in der Ukraine. Für alles muss bezahlt werden, auch für die Unabhängigkeit in den wichtigsten geopolitischen Fragen. Die neue Regierung hat im Ukraine-Konflikt ihr Bestes getan, um das Vertrauen der USA zurückzugewinnen, aber inwieweit ihr dies in Zukunft gelingen wird, ist eine große Frage. Man kann sagen, dass Deutschland es nicht verdient, als gleichberechtigter Partner behandelt zu werden: Es erlebt weiterhin die Herablassung, mit der die Amerikaner gewohnt sind, mit Partnern zu sprechen, die in gewisser Weise ihre Vasallen bleiben. Brzezinskis Dilemma, und zwar wie Amerika mit den politischen Eliten Deutschlands und Frankreichs reden sollte – als Gleichberechtigten oder als Juniorpartner -, wird nicht zugunsten der Gleichberechtigung gelöst.

Der Prozess der Deindustrialisierung Deutschlands, den die Amerikaner im Interesse der großen Geopolitik nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht weiterverfolgt haben, ist ebenfalls verständlich: Wozu braucht Amerika eine starke Wirtschaftsmacht in Europa, wenn es seine Funktion als amerikanischer Vorposten im westlichen Eurasien nicht erfüllt? Dies ist sogar sehr gefährlich für Amerika angesichts der möglichen Kooperation zwischen Deutschland und Russland.

1. Brzezinski, Zbigniew: Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft, Kopp Verlag, 6. Auflage März 2019, S. 81.

2. Ebenda, S. 81, 94.

3. Ebenda, S. 81-82.

4. Ebenda, S. 82.

5. Ebenda, S. 85.

6. Ebenda, S. 85-86.

7. Ebenda, S. 87.

8. Ebenda, S. 86, 102.

9. Ebenda, S. 90.

10. Ebenda, S. 96-97.

11. Ebenda, https://de.wikipedia.org/wiki/JCS_1067#cite_ref-3

12. Paul Nolte, Die 101 wichtigsten Fragen: Demokratie, Verlag C. H. Beck, München 2015. S. 78.

13. Brzezinski, Zbigniew: Die einzige Weltmacht, S. 98.