Idee des Projektes

Nach dem Beginn der russischen Spezialoperation in der Ukraine ist klar geworden, dass Weltfrieden und Weltordnung nicht so bleiben können, wie sie seit dem Zweiten Weltkrieg waren, als zwei unversöhnliche Gegner, der liberale Westen und der kommunistische Osten, sich zusammengeschlossen haben, um gemeinsamen Feind, den Faschismus, zu bekämpfen.

Deutschland ist heute tief gespaltet. Ein bestimmter Teil der Gesellschaft, der sich zur westlichen Demokratie bekennt, verurteilt auf schärfste Weise Putins Russland und gibt Russland allein die Schuld im Ukraine-Konflikt. Der andere Teil der deutschen Bevölkerung, besonders in Ostdeutschland, dagegen unterstützt Russland.

In Deutschland, wo circa 5 Millionen russischsprachigen Mitbürger leben, ist das ein besonderes Problem. Die politische Instrumentalisierung der Russophobie, die seit vielen Jahrhunderten gepflegt wurde, nimmt ein totaler Charakter an und schürt wieder die Ängste und den Hass gegen Russen. Hier liegt ein großes Potenzial für die steigende Konfrontation zwischen zwei Gruppen Migranten: eine pro-russische und die andere pro-ukrainische. Aber es gibt noch eine Lektion in Sachen Hassreden, die die Migranten in Deutschland seit dem 11. September 2001 gut gelernt haben. Damals handelte es sich auch um einer Phobie, und zwar um Islamophobie, die das Leben in Deutschland wesentlich verändert hat. Die Erscheinung des Buchs „Deutschland schafft sich ab“ (2010) von Thilo Sarrazin, die Gründung PEGIDA (2014) und die Flüchtlingskrise 2015 sind voraussichtlich nur die öffentlichen Zeichnungen dieser Veränderung, die noch tiefgreifender sein könnte, wenn die Russophobie noch schärfer ausgeprägt wird.

Die Russlanddeutschen, teils auch aus der Ukraine, reagieren besonders sensibel auf diese Situation. Gemeint sind natürlich nicht nur Spätaussiedler nach 4 § des Bundesvertriebenengesetzes, sondern auch ihre Ehegatten und nicht nur mit deutschen, sondern auch mit russischen, kasachischen, ukrainischen und anderen Wurzeln. Dazu kommen die Kontingentflüchtlinge und russischsprachige Ausländer, die alle durch Einziges verbunden sind: durch eine Verbindung zur russischen Kultur oder – in der negativen Interpretation – zur russischen Welt, die heute in Deutschland geächtet ist.

Was wäre für Russlanddeutschen in einer solchen Situation ein Rettungsanker?

Klar: Jeder sucht nach seiner eigenen Lösung. Ich bin als Angehöriger der russlanddeutschen Familie mit russischen Wurzeln keine Ausnahme. Dennoch gibt es etwas, was alle Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion vereinigt. Viele von uns haben den offensichtlichen Vorteil, dass wir das Leben in der Sowjetunion aus eigener Erfahrung kennen und die aktuellen Ereignisse nicht nur in der deutschen, sondern auch in der russischen Presse verfolgen können. Vieles von dem, was heute über Russland berichtet wird, entspricht nicht dem, was wir über das Land wissen. Jeder von uns hätte etwas zu sagen: wenn nicht öffentlich, dann in einem engeren Kreis. Ich auch. Nachdem ich zwanzig Jahre in Deutschland lebe, stellt sich immer noch die Frage, warum Deutschland und Russland einen gemeinsamen Nenner für die friedlichen und guten Beziehungen scheinbar nicht finden können? Von diesem Nenner hängt doch weitgehend unsere kulturelle Eingliederung in die deutsche Gesellschaft ab.

Aber wenn ein Migrant etwas sagen will (gemeint sind Migranten in erster Generation), steht er vor einem Problem: Er ist nach Deutschland als „Ahnungslose“ gekommen und kann nicht automatisch erkennen, was eine Demokratie heißt und die westlichen Werte bedeuten. Die Migranten sind keine belehrten deutschen Demokraten und müssen viele Begriffe, die für manchen eingeborenen Europäer seit Kindergarten- und Schulzeit selbstverständlich sind, zuerst erkundigen und ergreifen. Sie sind sozusagen von der modernen westlichen Denkweise noch nicht „infiziert“. Das macht für russischsprachigen Migranten, besonders nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine, äußerst schwierig, einen öffentlichen Dialog zu suchen.

Aber vielleicht gerade heute, in der Atmosphäre des „allesfressenden“ Gesinnungsdrucks, könnte die migrantische „Ahnungslosigkeit“ einen guten Dienst leisten. Migranten können einige Dinge überlegen und sagen, die sich ein ausgebildeter westlicher Bürger lieber öffentlich nicht sagen würde. Sie können nicht nur allwissenden Experten lesen und hören, sondern auch die Originaltexte studieren, unabhängig davon, wie sie ideologisch markiert sind. Migranten können nach den alternativen Meinungen suchen, die in Deutschland lieber nicht zu suchen sind. Sie können diejenigen Autoren bevorzugen, die die Sinnhaftigkeit, die Vernunft und die kritische Denkart höher stellen als die politisch und ideologisch geprägte Gesinnung. Sie können also solche Dinge verstehen, die man in deutschem Mainstream nicht für Verstehen gewünscht sind. Die Entscheidung für den gesunden Menschenverstand ist ein Kompass, der alle Seiten vereinen kann, ganz zu schweigen davon, dass er die Grundlage für ein besseres Verständnis zwischen Deutschland und Russland, zwischen Deutschen und Russen, zwischen Russlanddeutschen untereinander sein kann.

Diese Kriterien – originelle Texte, alternative Meinung, Sinnhaftigkeit, Vernunft und kritische Denkart – bestimmen die Auswahl von Autoren, die ich bei meiner verzweifelten Suche nach der aufregenden Frage, was für eine Katze zwischen Russland und Deutschland gelaufen ist, nützlich geworden sind. Dabei ist für mich der bekannte deutsche, obwohl in Deutschland „unbeliebte“ Staatsrechtler und politischer Philosoph Carl Schmitt (1888 – 1985) eine unbestreitbare Autorität, insbesondere in den Fragen des Krieges, des Völkerrechtes, der Demokratie und der Weltordnung. Jede Theorie ist aufgrund ihrer Auseinandersetzung mit der Realität interessant. Alle Bemühungen der Verfechter der liberalen Demokratie und der westlichen Werte, Carl Schmitt vom Sockel der klügsten Köpfe des 20. Jahrhunderts zu stoßen, waren erfolglos: Seine Theorien sind bis heute ein guter Leitfaden für alle, die über die Ursachen der heutigen globalen Krise nachdenken. Sie bilden die Grundlage für die in diesem Blog angebotenen Themen.

Unter den Rubriken „Konzepte der Zukunft“ und „Karl Schmitt“ sind die wichtigsten Thesen (eine Art von Archivdaten) gesammelt, die dazu genutzt werden, um unter den Rubriken „Zum Ärger des Tages“ und „Mythen des Westens“ einen Dialog über aktuelle Themen zu führen.

Deutsch ist nicht meine Muttersprache, daher bitte ich um Verständnis, wenn es den Texten an „literarischer“ Qualität mangelt. Bei diesem Projekt handelt es sich natürlich um keinem wissenschaftlichen Anspruch. Wenn Wissenschaftler damit beschäftigt sind, nach dem „Sinn der Sache“ zu suchen, dann ist es Aufgabe der Journalisten, die Ergebnisse ihrer Suche nach der Realität abzugleichen.

Ich versuche, die Texte so einfach wie möglich zu formulieren und in Stichpunkten zusammenzufassen, die kein Fachwissen voraussetzen. In der Regel vermeide ich auch die Anführungszeichen, um die Lesbarkeit nicht zu erschweren. Dennoch gibt es immer Hinweise auf die Quelle. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwendet die vorliegende Auflage des Staatslexikons die Sprachform des generischen Maskulinums. Die Verwendung der männlichen Form soll geschlechtsunabhängig verstanden werden.

Einige Texte wurden vor dem Beginn der Spezialoperation geschrieben und sind entsprechend datiert. Bitte beachten Sie das.