Trump ist ein Populist, aber nicht ganz der typische

Der Vorwurf des Populismus ist eine typische Technik der politischen Kräfte an der Macht, die sie in ihrem politischen Kampf gegen ihre Gegner einsetzen. Es wäre seltsam, von den regierenden Politikern zu erwarten, dass sie zugeben, dass ihre Politik von der Lebenswirklichkeit abgekoppelt ist oder dem gesunden Menschenverstand widerspricht, selbst wenn dadurch der wirtschaftliche und soziale Zusammenbruch droht. Das Staatsoberhaupt kann seine Glaubwürdigkeit verlieren und die Regierung kann zusammenbrechen, wie es zum Beispiel bei der Ampelkoalition in Deutschland der Fall war. Dennoch hat keiner der regierenden deutschen Politiker jemals zugegeben, dass sich ihre Politik in Wirklichkeit als zutiefst populistisch erwiesen hat.

Mit anderen Worten: Populismus steht für die regierenden Politiker immer auf der anderen Seite der Barrikaden: bei der Opposition, bei allen Arten von Bewegungen und Initiativen, die ihre Unzufriedenheit mit dem Status quo zum Ausdruck bringen. Das Ausmaß des Populismus wird weitgehend davon bestimmt, wie gefährlich er für die amtierende Regierung ist. Es ist also nicht leicht, sich den Titel eines echten „Populisten“ zu verdienen. Nur die Politiker, die es durch ihre Überzeugungskraft und ihr Durchsetzungsvermögen schaffen, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen, bekommen sie. Das kostet eine Menge Mühe.

Den Titel des Populisten verdiente sich Trump bereits 2015 – als Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Partei. Jan-Werner Müller, Autor des Essays „Was ist Populismus?“ (2016), schreibt über die Reaktion der Medien auf Trumps Einstieg in die große Politik: „Das Label „Populist“ ist vielen Kommentatoren inzwischen zu harmlos: Eine ganze Reihe von Beobachtern scheut sich nicht mehr, den Immobilienmilliardär als „Faschisten“ zu bezeichnen.“ (1)

Das Hauptmerkmal aller Populisten ist, dass sie die Eliten kritisieren und sie dem einfachen Volk gegenüberstellen. Trump ist da keine Ausnahme. Sein Marsch gegen den sogenannten Deep State ist zum Kern seiner Politik geworden. Hier ist es sinnvoll, noch einmal auf Bernd Greiner zu verweisen, der meint, dass die amerikanische Politik seit den 1930er Jahren durch das Gift des modernen Populismus vergiftet ist. Die Fixierung der Populisten auf die Eliten ist für ihn die „elementare Zutat“ dieses Giftes. In seinem Artikel im Rotary-Magazin unter dem Titel „Ein Millionär gegen die Elite“ schreibt er: „Eliten sind Feinde, denen sich alles zuschreiben lässt: dass sie für Leben und Los einfacher Bürger kein Gespür haben; dass sie die Ansprüche von Minderheiten über die Bedürfnisse der Mehrheit und Eigennutz über Gemeinnutz stellen; dass sie andere bevormunden und gängeln, sich folglich am uramerikanischen Grundsatz der Gleichheit vergreifen. Von ihnen muss man sich das Land zurückholen, sie haben einen gemeinschaftlich begangenen Diebstahl zu verantworten und sind unterschiedslos wie Schuldige zu behandeln. Hier das ehrliche Volk, dort die Politiker, Intellektuellen, Bürokraten, die Parasiten jedweder Couleur: „die“ gegen „uns“, „wir“ oder „sie“.“ (2)

Es wäre jedoch irreführend, so Greiner, dies alles auf einen Kulturkampf zurückzuführen. Es geht um „ein rabiater Machtkampf mit den Mitteln kultureller Ausgrenzung und dem Ziel, staatliche Institutionen von „falschen“ Repräsentanten des Volkswillens zu befreien und „richtige“ an ihre Stelle zu setzen – nicht punktuell, sondern vollständig und vor allem dauerhaft“. Und genau das tut Trump gerade. Er ist also ein typischer Antidemokrat, weil er aus Sicht der Demokraten in die Institutionen der demokratischen Macht eingreift. Eine überraschende Metamorphose: Der Populist Trump, der nach allen Regeln der amerikanischen Demokratie gewählt wurde, verwandelt sich in seinen Totengräber. Ein deutlicheres Beispiel für die Krise der westlichen Demokratie lässt sich kaum finden. Man könnte sagen, dass das Gift des modernen Populismus so tief in jede Pore der amerikanischen Gesellschaft eingedrungen ist, dass es begonnen hat, ihre Grundlagen zu bedrohen.

Die enge Beziehung zwischen Populismus und Demokratie wird jedoch seit langem kontrovers diskutiert. So spricht die renommierte belgische Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe von einem „populistischen Moment“, den die gesamte westliche Gemeinschaft derzeit erlebt. Sie ist überzeugt: „Die Erfolge populistischer Bewegungen sind Ausdruck einer Krise der liberal-demokratischen Politik.“ (3) Kurzum: Je mehr Populismus in der Politik, desto deutlicher wird, dass das demokratische Regierungssystem in der Krise steckt. Die Wahl des Populisten Trump zum Präsidenten der USA bestätigt diese einfache Regel einmal mehr.

Natürlich gibt es noch andere Kriterien, die Trump als Populisten kennzeichnen. So kann er das Charisma nicht leugnen, was aber ganz natürlich ist, denn ein Politiker ohne Charisma hat überhaupt keine Chance, im Kampf mit den Eliten eine Führungsrolle zu übernehmen. Ein weiterer typischer Vorwurf an alle Populisten, einschließlich Trump: Sie spalten die Gesellschaft, anstatt sie zu vereinen. Und so weiter.

Publizistin und Beraterin von Politik und Wirtschaft Kerstin Plehwe fasst im Rotary-Magazin die US-Wahl 2015 zusammen und verweist auf die neue Kraft der Polemik und des Populismus, die Trump in die Politik mitgebracht hat. Sie schreibt: „Donald Trump ist sicher nicht der erste und schon gar nicht der letzte Politiker, der sich der Instrumente von Lügen, Diffamierung, Verallgemeinerung und Diskreditierung bedient und dabei schonungslos den Finger in die Wunden der Gesellschaft legt. Dass dies allerdings in Amerika passiert, einer Weltmacht mit vermeintlich fest verwurzelten Werten von Freiheit und Demokratie, ist aufrüttelnd und erschreckend. Populismus ist nun wieder salonfähig geworden und der ehemalige Reality-TV-Star Trump hat der Welt und mit ihr allen jubilierenden rechten Parteien gezeigt, welche Kraft die sozialen Netzwerke und Twitter entfalten können, wenn die Botschaft nur inhaltlich zugespitzt genug ist, Menschen sich vom Absender verstanden und emotional abgeholt fühlen und ihn zudem als deutlich authentischer als den politischen Gegner wahrnehmen.“ (4)

Dennoch ist es schwer, Trump als typischen Populisten in einer langen Reihe von Populisten aller Couleur zu bezeichnen, vom Linkspopulisten Hugo Chávez bis zur Rechtspopulistin Marine Le Pen. Selbst ein populistischer Patriarch wie Viktor Orbán, der sich lange Zeit an der Macht halten konnte, verliert gegen Trumps Populismus. Dafür gibt es einen Grund: Trump ist ein amerikanischer Populist, d. h. ein Populist in einem Land, das die Weltherrschaft beansprucht und in vielerlei Hinsicht die Weltordnung bestimmt, insbesondere nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Die amerikanische Elite ist die Spitze des Eisbergs der internationalen Eliten. Indem Trump ihr den Krieg erklärt, erklärt er dem gesamten System der Weltordnung, das sich im Westen in jüngster Zeit entwickelt hat, den Krieg. Er befindet sich innerhalb dieses Systems und nicht außerhalb wie all die anderen Populisten. Und das ist es, was ihn besonders macht.

1. Jan-Werner Müller, Was ist Populismus?, Suhrkamp Verlag Berlin, 2016, S. 10.

2. https://rotary.de/gesellschaft/ein-millionaer-gegen-die-elite-a-23288.html

3. https://rotary.de/gesellschaft/der-populistische-moment-a-10638.html

4. https://rotary.de/gesellschaft/nach-dem-beben-a-9945.html