Garantie des Friedens ist keine Abschaffung, sondern Hegung des Krieges

Schmitt hat vielmals darauf hingewiesen, „dass nicht die Abschaffung, sondern die Einschränkung und Hegung des Krieges, d. h. die Vermeidung des Vernichtungskrieges, der Sinn allen Völkerrechts war“. Die Hegung des Krieges bedeutet für ihn keine Beseitigung des Krieges als solcher, sondern Vermeidung seiner grausamsten Form, eines Vernichtungskriegs, wie es zum Beispiel in der Epoche den Religions- und Bürgerkriegen in den 16. und 17. Jahrhunderten war. Ein modernen Vernichtungskrieg wäre in seiner Interpretation einen Krieg, wo alle Vernichtungsmitteln erlaubt ist, z. B. die flächendeckende Bombardierung, die im 21. Jahrhundert Amerikaner in Irak und Franzosen in Libyen demonstrierten, ganz zu schweigen von atomarer, chemischer oder bakterieller Kriegsführung. (1)

Das Wesen der zwischenstaatlichen Kriege, die in Europa erfolgreich gehegt wurden, war für Schmitt „ein geordnetes, in einem gehegten Raum vor Zeugen sich abspielendes Messen der Kräfte“. Er schreibt: „Die Beseitigung oder Vermeidung des Vernichtungskrieges ist nur dadurch möglich, dass eine Form für das Messen der Kräfte gefunden wird. Dieses wiederum ist nur dadurch möglich, dass der Gegner als Feind auf gleichen Ebene, als justus hostis anerkannt wird. Damit ist die Grundlage einer Hegung gegeben.“ Deshalb waren für Schmitt die europäische Kriege das Gegenteil von Unordnung. Er schreibt: „Ihn ihnen liegt die höchste Form der Ordnung, deren menschliche Kraft fähig ist. Sie sind der einzige Schutz gegen der Zirkel sich steigender Repressalien, d. h. vor den nihilistischen Hass- und Racheaktionen, deren sinnlosen Ziel in der gegenseitigen Vernichtung liegt.“ Der Krieg selbst ist für Schmitt keine Ursache der Anarchie. Er schreibt: „Es ist ein weitverbreiteten Irrtum, von der Anarchie des Mittelalters zu sprechen, weil in Mittelalter Fehde und Widerstandsrecht als Einrichtungen und Methoden der Behauptung und Verteidigung des Rechtes anerkannt waren. Aus anderen Gründen ist es ebenso unrichtig, die völkerrechtliche Ordnung des zwischenstaatlichen Völkerrechts, vom 17. bis zum 20. Jahrhunderts, als Anarchie zu bezeichnen, weil sie Kriege zuließ.“ (2)

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, in Genf, „war zwar viel von Ächtung und Abschaffung des Krieges, niemals aber von einer raumhaften Hegung des Krieges die Rede.“ Das war das Zeichen der Sinnwandel des Krieges: Die Hegung des Krieges des zwischenstaatlichen Völkerrechts sollte durch Abschaffung des Krieges ersetzt werden. Amerikanische outlawry of war sollte zum neuen Modell des Weltfriedens werden, zum einen Ideal eines globalen Westens, wo das Recht und der Frieden herrscht. Doch hier ist Schmitts Erinnerung auf zwei Wahrheiten wichtig: „Erste, dass das Völkerrecht die Aufgabe hat, den Vernichtungskrieg zu verhindern, also den Krieg, soweit er unvermeidlich ist, zu umgehen, und zweitens, dass eine Abschaffung des Krieges ohne echte Hegung nur neue, wahrscheinlich schlimmere Arten des Krieges, Rückfälle in den Bürgerkrieg und andere Arten des Vernichtungskrieges zur Folge hat.“ (3)

Das blieb in Genfer Liga ohne Beachtung. Als Methode der Abschaffung des Krieges wurden die wirtschaftliche Sanktionen in Anspruch genommen – in der Form eines, auf dem amerikanischen Kontinent schon gut erprobtes hegemoniales Gleichgewichts-System. Aber in Europa haben sich die Sanktionen bei der Hegung des Krieges als wirkungslos erwiesen. Schmitt schreibt: „Der nicht-diskriminierende Staatenkrieg des bisherigen europäischen Völkerrechts wurde durch den Begriff des Sanktionen in Frage gestellt, aber keineswegs aufgehoben oder offen beseitigt. Infolgedessen versagte die Liga nicht nur vor dem vordergründigen Abrüstungsproblem, sondern auch vor der Aufgabe einer Hegung des Krieges im Ganzen. Die erste und einzige große Probefall, die Anwendung der wirtschaftlichen Sanktionen im Jahre 1935/36, richtete sich nicht, wie Frankreich ursprünglich erwartet hatte, gegen Deutschland, sondern gegen Italien. Bei diesen Sanktionen gegen Italien blieben alle Fragen des Kriegsrechts unbeantwortet; die Sanktionen selbst endeten damit, dass angegriffen Staat, Äthiopien, ein Mitglied der Liga, durch den Angreifer, ebenfalls ein Mitglied der Liga, debelliert, subjugiert und annektiert wurde. Die Sanktionen wurden durch eine Resolution der Bundesversammlung vom 4. Juli 1936 aufgehoben. Mehrere Bundesmitglieder erkannten die Annexion in aller Form an.“ (4)

Die Genfer Liga, die nach dem Erstem Weltkrieg mit der Ziel gegründet wurde, um die internationale Konflikte schiedsgerichtlich beizulegen und der kollektiven Sicherheit dauerhaft zu sichern, hat die Welt von Zweiten, noch mehr vernichtenden Weltkrieg nicht gerettet. Sie hat die wichtigen Methoden, Regeln und Rechtsinstituten des Jus Publicum Europaeum, die im Grunde der Hegung des Krieges lagen, aufgehoben, aber die Abschaffung des Krieges als die neue rechtliche Basis für Weltfrieden nicht garantierte. In dieser Hinsicht war die Genfer Liga hilflos. Nach Schmitt, das Verbot des Krieges und die Erklärung des Krieges zum Verbrechen, die damals „an schwierige juristische Vorbehalte geknüpft“ waren, bedeuteten aber nicht die elementar einfache Beseitigung der Kriegsgefahr selbst“. Das war die bittere Erfahrung, die alle europäischen Völkern in der chaotischen Zeit von 1919 bis 1939 gemacht haben. (5)

Im Grunde des Scheiterns der Genfer Liga mit ihrem Ideal der Abschaffung des Krieges lag, nach Schmitt, „das Dilemma zwischen einer juristisch-formalen Behandlung des Kriegsverbotes und einer politisch-moralisch-sachlichen Lösung der großen Probleme der Kriegsursachen, wie Aufrüstung und Sicherheit“. Er schreibt: „Jeder europäische Staatsmann und jeder europäische Staatsbürger wusste, dass die Frage der Abschaffung des Krieges in der Sache eine Frage der Abrüstung und Sicherheit war.“ Das heißt, dass alle Bemühungen um die Abschaffung des Krieges sich auf diese großen sachlichen Probleme stoßen, zu denen Schmitt auch die sogenannte peaceful change, also der Pazifismus als eine friedliche Änderung beifügt. Aber sie alle sind mehr politische als juristische Probleme. (6)

Das bedeutet eine Übertragung der großen Kriegsprobleme aus Kompetenz der Justiz im Bereich der Politik und Moral, wo sich nicht nur Juristen, „sondern auch die öffentliche Meinung breiter Kreise und großer Massen“ beschäftigt. Doch viele Menschen empfinden die juristischen Begriffe als „ein künstlichen Formalismus“, unter anderem „die juristische Abstrahierung von der justa causa“. Unter dem Verdacht der Abstrahierung geraten auch die andere Kriegsbegriffe, etwa justus hostis, also der gerechten Feind, der möglicherweise Recht hat, sich zu verteidigen, oder Angreifer, oder der alte Satz, dass der Angriff die beste Verteidigung ist, der aber, nach Schmitt, ohne zuverlässige internationale und noch nicht damals vorhandene Justiz im neuen Satz umkehren könnte, und zwar „dass die Verteidigung der beste und wirksamste Angriff sein kann“. (7)

Es handelt sich also um Dilemma zwischen einer juristischen und einer politischen Denkart, das sich, nach Schmitt, „hier in einer besonders schwierigen und gefährlichen Weise“ zeigt. Er schreibt: „Einerseits ist die juristische Präzisierung notwendig, wenn das Ziel einer Kriminalisierung des Krieges wirklich erreicht werden soll, anderseits tritt das (gerade von den Massen stark empfundene) sachliche Recht oder Unrecht und die Schuld am Kriege zurück und bleiben die tiefere Kriegsursachen, z. B. die allgemeine Aufrüstung und der Mangel an Sicherheit, bei solchen Definition des Angreifers absichtlich außer Betracht. Das Dilemma zwischen einer juristisch-formalen Behandlung des Kriegsverbotes und einer politisch-moralisch-sachlichen Lösung der großen Probleme der Kriegsursachen, wie Aufrüstung und Sicherheit, wurde immer heftiger.“ Das zeigte gerade den Genfer Protokoll von 1924, das versuchte, den Angriffskrieg als kriminell zu definieren, ist aber daran gescheitert, „dass es die sachlichen Zusammenhänge der Frage des gerechten Krieges nicht beantwortete und nicht einmal beantworten wollte“. (8)

Die absichtliche Vermeidung, die wichtige Kriegsbegriffe und insbesondere die Kriegsschuldfrage deutlich zu klären, wurde also zum Schicksal der Genfer Liga und zum noch einem Ansatz des Sinnwandels des Krieges. Die Leichtigkeit, mit der heute die öffentliche Meinung im Westen den Schuld für die Ukraine-Krise und allgemein für die Weltkrise allein auf Russland schiebt, zeigt deutlich, dass dieses alte Dilemma noch nicht überwinden ist. Es wird sogar heftiger und lässt die großen sachlichen Probleme der Kriegsursachen, wie Aufrüstung und Sicherheit, wieder absichtlich außer Betracht wegnehmen. Statt Justiz kommt nun die Politik und Moral, mit ihrem Botschaft, die Aggression und den Krieg als solche abzuschaffen und schon genannten Aggressor zu bestrafen.

Die Abschaffung des Krieges als neue Konstruktion der Weltordnung und die Kriminalisierung des Krieges sind nun zu zwei Seiten derselben Medaille geworden: Das eine setzte das andere voraus. Beide – Abschaffung und Kriminalisierung des Krieges – stellen die Politik und Moral höher als die Justiz und verhindern, sogar absichtlich, in der öffentlichen Meinung der große Kriegsfragen klar zu stellen. Die Kriegsfragen werden jetzt aus dem Bereich der Justiz im Bereich der Bildung der öffentlichen Meinung verlagert, wo die Medien eine besondere Rolle spielt. Für die Siegermächte ist diese Rolle von Massenmedien besonders wichtig: Sie soll ihrer Autorität in der Kriegsfragen und insbesondere in den Fragen der Gerechtigkeit des Krieges bestätigen und legitimieren.

Die enorm große Bedeutung den Massenmedien in unserem Leben ist eigentlich die Binsenwahrheit. Das ist seit der Erfindung des Buchdrucks in allen Kriegen, Revolutionen und Reformen erfolgreich geprüft. Die Oktoberrevolution 1917 wurde bekanntlich durch die Ausgabe und Verbreitung der Lenins Zeitung „Iskra“ vorbereitet, unter dem Motto „Aus einem Funken wird eine Flamme entfacht“. Die große Rolle der Medien bei der Konstruktion eines Feinbildes ist auch bekannt, was heute in den totalen Informationskriegen nochmals getestet ist. Die Feinde der Nazis-Regime waren Juden und kommunistisches Russland. Seit 11. September 2001 wurden die Muslime und der Islam zu den gerechten Feinden des Westens gemacht. Heute ist Putins Russland als Feind des Westens gemalt, sogar mit den Bemühungen, Putin zusammen mit russischer Bevölkerung und russischer Kultur an den gleichen Pranger zu stellen. Seinerseits konstruieren russische Medien aus Westen einen natürlichen Feind der russischen Zivilisation. Daher ist Schmitts Bemerkung über die Rolle der öffentlichen Meinung im Krieg einmal mehr von großer Bedeutung, insbesondere wenn Emotionen die Menschen daran hindern, über die eigentlichen und wahren Ursachen von Kriegen und Konflikten in der Welt nachzudenken, die seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion mit neuer Kraft aufflammen. Außerdem bekommen die Medien die enorm große Möglichkeit, die öffentliche Meinung in den Fragen des Krieges zu manipulieren. Die Gerechtigkeit des Krieges ist dann keine Sache der Kriegsschuld und Aggression, sondern ihren virtuellen Interpretation, die von den medialen und technischen Möglichkeiten der Kriegsparteien abhängt.

Es ist nicht zufällig, dass für vielen Menschen die Ukraine-Krise und überhaupt die chaotischen Auseinandersetzungen in der Welt einfach nicht begreifbar sind. Das Verbot des Krieges und die Erklärung des Krieges zum Verbrechen bedeutet noch nicht die elementar einfache Beseitigung der Kriegsgefahr selbst. Die traurige Erfahrung der Zwischenkriegszeit von 1919 bis 1939 scheint heute völlig vergessen zu sein. Es mach auch aktuell noch eine wichtige Schmitts These: „Eine Einhegung, nicht die Abschaffung des Krieges war bisher der eigentliche Erfolg des Rechtes, war bisher die einzige Leistung des Völkerrechtes.“ (9)

Die UNO als Nachfolger der Genfer Liga hat das Schicksal ihrer Vorgänger nur dadurch vermeidet, weil, neben das Mehrheitsprinzip bei der Erfassung von ihren Beschlüssen, auch das Vetorecht im UN-Sicherheitsrat eingeführt hatte. Man kann sagen, dass das Vetorecht im Kalten Krieg zum wichtigsten Instrument nicht der Abschaffung, sondern der Hegung des Krieges geworden war. Um sich davon zu überzeugen, reich es einen Blick auf die Veto-Liste von 1946 bis 2017 zu werfen. (10) Ab 1946 bis 1969 hat am meisten die UdSSR das Vetorecht benutzt, aber seit 1970 bis 1991, wenn die Sowjetunion in UNO die mehrheitliche Unterstützung bekam, verwendeten das Vetorecht vorwiegend die USA, Frankreich und Großbritannien. Es ist logisch, dass nach dem Zerfall der Sowjetunion das Vetorecht vorwiegend von Russland und China benutzt wird: Seit 1989/90, wenn der Westen als Sieger im Kalten Krieg nach neuer Formel des Weltfriedens zu suchen begann (ähnlich wie es nach dem Ersten Weltkrieg war), sind für ihn die schon bestehende Methode der Kriegsverhütung und insbesondere das Vetorecht zum Problem geworden. Es ist auch nicht zufällig, dass von den westlichen Staaten die Forderung, das Vetorecht abzuschaffen und das UNO-Sicherheitsrat zu reformieren, lauter geworden ist, stößt sich aber auf ein energischer Widerstand von Russland und China. Ob die Abschaffung des Vetorechts mehr Frieden in der Welt bringen kann, ist aber eine große Frage.

Seit 1989/90 hat die UNO schon vielmals ihre Hilfslosigkeit bei der Kriegsverhütung gezeigt. Die Konflikten und Kriegen in der Welt nehmen zu, statt abzunehmen. Es gibt vielen Gründen dafür, unter anderem eine globale Konfrontation zwischen zwei Konzepten der Zukunft: einer unipolaren Welt nach Brzezinskis Logik der einziger Supermacht Amerikas und einer multipolaren Welt nach Huntingtons Logik, die von Russland, China und vielen anderen Staaten als Grundsatz ihren Sicherheitspolitik übernommen wurde. Der Ukraine-Krieg ist nur ein Teil dieser globalen Konfrontation, die von Huntington als Konflikte zwischen Zivilisationen, also zwischen großen Kulturkreisen beschrieben sind. In diesen Konflikten sind die lokalen Kriege entlang der Grenzen der Zivilisationen unvermeidlich – so lange, bis eine neue globale Raumordnung geschafft wird.

Das kehrt uns zurück zu den Schmitts Gedanken über „Großraum“ als mögliches Fundament eines neuen Nomos der Erde. Diesen neuen Nomos der Erde soll den alten, seit 16. Jahrhundert bis das Ende des 19. Jahrhunderts in der Welt beherrschten Nomos der Erde ersetzen, aber bis heute noch keinen raumhaften planetarischen Ersatz gefunden hat. Schmitt schreibt: „Während die Republica Christiana eine wirkliche Raumordnung erhielt, bietet die Genfer Liga von 1919 bis 1939 ein Musterbeispiel dafür, dass keine umfassende völkerrechtliche Ordnung ohne die klare Vorstellung eines raumhaften Nomos begründet werden kann.“ Daraus ist seinen Urteil: Die eigentliche Ursache des Misserfolges der Genfer Liga lag darin begründet, dass ihr jede raumordnende Entscheidung, sogar jede Gedanke einer raumhaften Ordnung überhaupt fehlte. Genfer Veranstaltung wollte nämlich gleichzeitig sowohl eine europäische als auch eine universale und globale Ordnung sein. Schmitt schreibt: „Spezifisch europäisch war sie, insofern es die Besiegten des Ersten Weltkrieges, zwei europäische, sogar mitteleuropäische Großmächte waren, auf deren Kosten die neue Landverteilung vorgenommen wurde. Spezifisch universal und global war sie nach der Idee ihres Urhebers und Inaugurators des amerikanischen Präsident Wilson, und – diese aber wiederum in wesentlich anderen Weise – gemäß den maritim-globalen Interessen eines führenden, weltumfassenden Mitgliedes, des englischen Weltreiches mit seinen Dominions. Infolge dieses durchaus mehrseitigen Universalismus war die wichtigste und allein entscheidende Frage des heutigen Völkerrechts unbeantwortet geblieben.“ (11)

Wie es Schmitt bemerkt, „in Genfer Liga beherrschte der ideologische Anspruch eines unkritischen Universalismus“, obwohl schon damals die Juristen sich „mit aller Klarheit seines Denkens und aller Weisheit seines Wesens für die Gedanken eines föderalistisch geeinten Großraums ausgesprochen hatten“. Doch eine universelle Weltordnung, so Schmitt, könne von der Genfer Liga schon deshalb nicht vorgeschlagen werden, weil die beiden modernen Raummächte, die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten von Amerika, dort abwesend waren. Das heißt, „dass in der Wirklichkeit nicht einmal der bloß faktische Zustand des Jahres 1919 und die neuen Staatsgrenzen Europas garantiert waren“, wie es den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gezeigt hat. (12)

Das englische Empire ist längst untergegangen, aber der Anspruch auf Universalität bleibt unverändert: jetzt von der einzigen Supermacht Amerika. Aber ähnlich wie auch nach dem Ersten Weltkrieg, sind heute der „bloß faktische Zustand“ und die Staatsgrenzen in der Europa und der Welt durch die UNO nicht garantiert, weil die zwei moderne Raummächte, Russland und China, im UNO-Sicherheitsrat ein Widerstand den universalistischen Ansprüchen Amerikas aufbauen. Die Weltgemeinschaft unter der Führung der UNO könnte also das Schicksal Europas unter Führung der Genfer Liga wiederholen, wenn ihr nicht gelingt, das Schmitts Dilemma der planetarische Entwicklung zu lösen, und zwar das Dilemma „zwischen Universalismus und Pluralismus, zwischen Monopol und Polypol“, als auch auf seine grundsätzliche Frage zu antworten, und zwar „ob der Planet reif ist für das globale Monopol einer einzigen Macht“. (13)

In dieser Situation wächst die Bedeutung von Methoden, Regeln und Rechtsinstituten des Jus Publicum Europaire, dem wirklich gelungen war, die Kriege zu hegen, im Gegenteil zu den gescheiterten Versuchen, sie abzuschaffen. Es handelt sich natürlich nicht mehr um einem zwischenstaatlichen Völkerrecht, das in Europa von 16. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts herrschte, sondern um einem neuen Völkerrecht, das die Beziehungen zwischen Großräumen auf gleicher Weise, wie es in Europa zwischen Staaten war, regulieren lässt. Die Kriege und Konflikte werden dann nicht illegal, aber sie werden, soweit sie unvermeidlich sind, umhegen, um neue, wahrscheinlich schlimmere Arten des Krieges zu vermeiden. Die Großräume bekommen die Anerkennung als justus hostis, also als „gerechte Feinde“, und Anhaltspunkt für die Bestimmung des gerechten Krieges wird nicht mehr die Autorität der Siegermächte, sondern gleichberechtigte Souveränität der Großräume. Die Ordnung des neuen Völkerrechtes geht, statt von der justa causa, vom justus hostis aus und bezeichnet jeden Krieg oder Konflikt zwischen gleichberechtigten Souveränen als rechtmäßigen Krieg. Dadurch wird die Beseitigung oder Vermeidung des Vernichtungskrieges möglich.

Solche Einschränkung und Hegung des Krieges könnte zum Sinn des neuen Nomos der Erde werden – als rechtlichen Grund der planetarischen Raumordnung. Die tragende Säule des Weltfrieden wird dann nicht mehr ein Gleichgewicht von Land und Meer, sondern ein Gleichgewicht von großen Kulturräumen (Zivilisationen), die dafür sorgen müssen, um dieses Gleichgewicht zu bewahren.

Der alte und immer noch triumphale Nomos der Erde ruht großteils auf drei Säulen. Die erste ist die europäische Tradition der Teilung der Welt in „wir und sie“, in Gut und Böse, in Demokratien und Nicht-Demokratien usw. Die zweite Säule ist ist die koloniale Praxis der Ausbeutung des „Anderen“ – nach dem Recht des Stärkeren, die sich heute zum sogenannten Neokolonialismus entwickelt hat. Die dritte Säule ist die planetarische Vorherrschaft, die zunächst vom Britischen Empire und nach dem Ersten Weltkrieg von den Vereinigten Staaten von Amerika beansprucht wurde. Die Beseitigung dieser drei Hauptsäulen des Abendlandes ist heute eigentlich die Hauptintrige des Übergangs vom alten zum neuen Nomos der Erde.

1. Schmitt, Carl: Der Nomos der Erde, S. 214.

2. Ebenda, S. 158-159.

3. Ebenda, S. 214-215, 219.

4. Ebenda, S. 215.

5. Ebenda, S. 253-254.

6. Ebenda, S. 244, 253.

7. Ebenda, S. 253.

8. Ebenda, S. 253.

9. Ebenda, S. 159.

10. https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:UNSC_veto.svg

11. Schmitt, Carl: Der Nomos der Erde, S. 216.

12. Ebenda, S. 217-218.

13. Ebenda, S. 216.