Es ist wichtig für Frieden, wenn große Politiker ihr Wort halten

Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Jalta-Konferenz von 1945, auf der sich die Staatschefs Franklin D. Roosevelt (USA), Winston Churchill (Großbritannien) und Joseph Stalin (UdSSR) auf die Grundregeln der Nachkriegsweltordnung bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs einigten. Es war zuerst ihr Wort, dann die Festhaltung des Wortes, erfasst in der Charta der Vereinten Nationen. Die Einhaltung des von einem großen Politiker gegebenen Wortes ist wichtig, weil es die Verantwortung einer Großmacht für den Weltfrieden personifiziert.

Die Bedeutung der Personalisierung der Verantwortung in Fragen von Krieg und Frieden zeigte Schmitt am Beispiel des Jus Publicum Europaeum. Es war damals die Tradition, der Krieg als Beziehung zwischen gleich-souveränen Personen wahrzunehmen. Schmitt schreibt: „Ein entscheidender Schritt zu der neuen Größe „Staat“ und dem neuen interstatalen (zwischenstaatlichen, Anm. d. Autors) Völkerrecht lag darin, dass die in sich geschlossenen Machtgebilde als Personen repräsentiert wurden. Auf diese Weise erhielten sie die Qualität, die eine Analogie des Krieges mit einem Duell sinnvoll machte. Sie wurden als „große Mensch“, magni homines, vorgestellt. Sie waren für die Phantasie der Menschen wirklich souveräne Personen der repräsentativen Machthaber, von dem Träger der alten und neuen Kronen, von Königen und Fürsten nicht genau unterschieden. Diese Könige und Fürsten können jetzt „große Menschen „ seien, weil sie absolut werden. Sie lösen sich von den mittelalterlichen Bindungen kirchlicher, feudalrechtlicher und ständischer Art los.“ Für Schmitt ist solche Personifizierung wichtig, weil „erst dadurch wird der Krieg zu einer Beziehung zwischen Personen, die sich gegenseitig einen Rang zuerkennen“. Dadurch bekommen die Beziehungen zwischen souveränen Staaten „ganz andere, höhere Ordnungskraft“. (1)

Schmitt spricht über Prozess der Personifizierung politischer Mächte, der bereits im 16. Jahrhundert begonnen und im Westfälischen Frieden 1648 ihren völkerrechtlichen Ausdruck bekommen hat. Es ist selbstverständlich, dass damals die europäischen Souveräne persönlich ihre Kriege zuerst als Erbfolgekriege im Rahmen ihrer durch Verwandtschaft und Erbfolgerecht verbundenen Familie geführt haben. Aber später die Frage, ob ein von den Staat repräsentierende Person ein Fürsten oder doch ein Repräsentant der territorialen Einheit ist, verlor jede Bedeutung. Es wurde, so Schmitt, „derartige Unterscheidung von fürstlichen und staatlicher Person“ schon im 19. Jahrhundert „auf eine ganz abstrakte Weise überspitzt“. (2)

In der Zwischenkriegszeit von 1914 bis 1939, die Schmitt als die Zeit der Unordnung bezeichnet, bekam die Personifizierung politischer Mächte die neuen Impulse, verstärkt von nationalen, demokratischen und imperialen Prozessen. Man kann sagen, dass es eine Epoche von „großen“ Persönlichkeiten war, die maßgeblich um Kriegen und Frieden entscheidet, doch am meisten ohne Beachtung des schriftlich gegebenen Wortes. Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion im Jahr 1941 war dafür ein anschauliches Beispiel.

Die Jalta-Konferenz 1945 und eine Reihe von Friedensverträgen zwischen die USA und die UdSSR in den 1970er und 1980er Jahren brachten die Bedeutung des Wortes den „großen Menschen“ zurück, doch nach dem Zerfall der Sowjetunion hat es wieder eine Inflation erfahren. Amerika als Sieger im Kalten Krieg versucht, in der Welt, in der UNO und in anderen internationalen Instituten ihren neuen Status quo als einzige Supermacht zu bestätigen und früher gegebene Worte zu überdenken. Die alten Friedensverträge des Kalten Krieges sollen fallen und die neue, regelbasierte Weltordnung entstehen. Als letzten Strich auf diesem Weg wären die Abschaffung des Vetorechts und die Änderung der Arbeit des Sicherheitsrates. Dann wäre die nach Jalta-Konferenz bestehende Weltordnung endgültig begraben worden.

Gegen Inflation des politischen Wortes tritt energisch Russland ein. Die Experte der Kreml-Politik stellen fest, dass die russische Diplomatie und persönlich Wladimir Putin die Vereinbarungen auf höchster Ebene zum wichtigsten Grundsatz der Weltpolitik erhoben haben. Das Wort den „großen Menschen“ ist heute wieder beauftragt, besonders in den Konfliktzonen wie Naher Osten, Kaukasus oder Ukraine. Die Konflikte in der Welt eskalieren, und das Ehrenwort von großen politischen Persönlichkeiten könnte zur Garantie des Friedens werden. Es wäre vielleicht symbolisch, wenn sich die Regierungschefs den größten militärischen Mächten, unabhängig von ihren Positionen, an den Verhandlungstisch setzen, um nach dem Beispiel der Jalta-Konferenz durch ihren persönlichen Autorität den steigerten Krisenzustand zu beenden. Zurzeit wäre es einen vertraulichen Zusammentreff von Joe Biden, Xi Jinping und Wladimir Putin.

Doch im Moment scheint diese Option unmöglich zu sein: Die Diskriminierung von Feinden an allen Fronten gewinnt immer mehr an Bedeutung. Wir können nur hoffen, dass in der Perspektive, nach der Lösung des Konflikts in der Ukraine, wenn Russland seinen Status quo als justus hostis zurückgewinnt, die neue Weltordnung nicht nach der modernen Lehre des gerechten Krieges, sondern nach den Kriterien der Realpolitik bestimmt wird – in Analogie zur Jalta-Konferenz von 1945.

1. Schmitt, Carl: Der Nomos der Erde, S. 115-116.

2. Ebenda, S. 117-118.